Wohl kein anderes Kooperationsformat innerhalb der Europäischen Union ist mit so vielen unerfüllten Erwartungen belastet wie das Weimarer Dreieck. Die anfangs hochgesteckten Ziele scheiterten oftmals an den politischen und praktischen Realitäten, weshalb das Format bislang weitgehend ohne konkrete Erfolge blieb.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, sein unklarer weiterer Verlauf und die Entwicklungen in den USA, die in Europa die Sorge vor der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus schüren, scheinen jedoch bisherige Kooperationshindernisse abgebaut und die Dringlichkeit eines gemeinsamen Vorgehens der großen drei Länder auf dem europäischen Kontinent erhöht zu haben.
Diese Annahme wird durch das Treffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens am 12. Februar 2024 in La Celle-Saint-Cloud, Frankreich, unterstrichen, bei dem die Länder ihren Willen bekräftigten, das sog. Weimarer Dreieck wiederzubeleben und dabei Frieden und Sicherheit in den Mittelpunkt der Agenda zu stellen.
Der Experten-Workshop in Warschau im November 2023 geht auf eine Kooperation zwischen dem Polish Institute of International Affairs (PISM) und der Hanns-Seidel-Stiftung zurück, bei der die Akademie für Politik und Zeitgeschehen und das Institut für europäischen und transatlantischen Dialog der Hanns-Seidel-Stiftung ihre Ressourcen im Rahmen des HSS-internen Schwerpunktthemas „Sicher leben“ gebündelt hatten.
An dem Workshop nahmen Expertinnen und Experten aus Think Tanks und der Wissenschaft der Weimarer-Dreieck-Staaten Deutschland, Frankreich und Polen Mitte November 2023 in Warschau teil. Dort wurden sie mit zwei verschiedenen Szenarien zur Zukunft der europäischen Sicherheit konfrontiert. Das erste Szenario behandelte einen hypothetischen Regimewechsel in Russland. Das zweite Szenario betraf eine Bitte der Ukraine um Sicherheitsgarantien seitens der drei Weimarer-Dreieck-Staaten angesichts der schwierigen Lage der Ukraine an der Front und der schwindenden Unterstützung durch die Vereinigten Staaten. Die Experten wurden in „nationale“ Teams eingeteilt und mit der Ausarbeitung der nationalen Antworten auf die in den Szenarien dargestellten Entwicklungen beauftragt, die dann im Plenum vorgestellt und diskutiert wurden.
Vor diesem Hintergrund veranstalteten das Polish Institute of International Affairs (PISM) und die Hanns-Seidel-Stiftung bereits im Winter 2023 einen szenarien-basierten Workshop in Warschau. Der Experten-Workshop, der Expertinnen und Experten aus Deutschland, Frankreich und Polen zusammenbrachte, fokussierte sich in seinen Szenarien und seiner Diskussion auf die weitere Unterstützung der Ukraine und deren Rolle in der europäischen Sicherheitsarchitektur sowie auf den zukünftigen Umgang mit Russland. Der Workshop unterstrich trotz bestehender Differenzen in Berlin, Paris und Warschau, dass es möglich ist, eine gemeinsame Grundposition zu entwickeln und dabei die Interessen, Präferenzen und „roten Linien“ jedes der Weimarer-Dreieck-Staaten zu respektieren. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Workshops wurden nun in einem englischsprachigen Report veröffentlicht.
Die Regierungen in Paris, Berlin und Warschau sollten das gegenwärtige Momentum nutzen, um das Weimarer Dreieck zu einem wichtigen Akteur und Impulsgeber in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu machen, indem sie einen substanziellen Weimarer Dialog aufrechterhalten, der auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung beruht und sich vorranging für eine Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit und Verteidigung einsetzt.
Mit Blick auf die Ukraine und basierend auf dem Konsens, dass der Erfolg der Ukraine essentiell für die europäische Sicherheitsordnung ist, wurden folgende Schlussfolgerungen und Empfehlungen festgehalten:
Was das künftige Vorgehen der Weimarer Drei gegenüber Russland betrifft, so bestätigten sich in der Diskussion einige anhaltende Unterschiede zwischen Frankreich, Deutschland und Polen in Bezug auf innenpolitische Zwänge und die Einschätzungen Russlands. Insgesamt wurden auf dem Workshop jedoch weitreichende Gemeinsamkeiten herausgearbeitet, die als Grundlage für ein gemeinsames Vorgehen des Weimarer Dreiecks gegenüber Russland dienen könnten: die zentrale Bedeutung der Beteiligung und Zustimmung der Ukraine bei jeder Art von Verhandlungen, die Bevorzugung eines prinzipienbasierten und konditionierten Ansatzes bei allen diplomatischen Initiativen Russlands sowie der Konsens, dass keine voreiligen Änderungen an der Abschreckungs- und Verteidigungsstrategie der NATO vorgenommen werden sollten.
Folglich könnte das Weimarer Dreieck die folgenden Maßnahmen in Erwägung ziehen: