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Selbstverwaltungswahlen in Polen
PiS behauptet ihre Position

Im April fanden in Polen die Regional- und Kommunalwahlen statt. „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) bleibt die stärkste Kraft in den Regionen, gefolgt von der Bürgerkoalition (KO). Die Regierungsparteien konnten ihren Erfolg, was die Freigabe von EU-Fördermitteln betrifft, nicht in zusätzliche Stimmen an den Wahlurnen ummünzen.

Die aktuellen Wahlen galten als erster Stimmungstest nach den Parlamentswahlen („Sejm-Wahlen“) im Oktober 2023, nach denen die nationalkonservative PiS den Weg auf die Oppositionsbänke antreten musste. Die neue Regierung stellt seitdem die bürgerlich-großstädtische KO um Ministerpräsident Donald Tusk – in einer Koalition mit der „Neuen Linken“ und dem sogenannten „Dritten Weg“ (TD), seinerseits ein Bündnis zwischen der Bauernpartei (PSL) und der liberal-konservativen Partei „Polen2050“.

Flagge Polens

In Polen zeigt sich ein Trend: die PiS findet ihre Unterstützung im ländlichen Raum im Osten des Landes. Die KO wird in den großen Städten im Westen des Landes unterstützt.

somartin; HSS; AdobeStock

Jetzt wählten die Menschen die Parlamente in den 16 Regionen („Woiwodschaften“). Diese Wahlen lassen am ehesten einen Rückschluss auf die politische Großwetterlage im Land zu. Gleichzeitig fanden Kommunalwahlen statt, das heißt direkte Rats- und Bürgermeisterwahlen. Im Allgemeinen bestätigte sich ein landesweiter Trend: PiS erzielt seine besten Ergebnisse im ländlichen Raum und im Osten Polens, die KO dagegen in den Städten und im westlichen Landesteil. Großstädte wie Warschau oder Danzig sind KO-Hochburgen, und auch in Krakau stellt diese Partei jetzt den Stadtpräsidenten.

Regierungskoalition legt zu

Bei den Sejmik-Wahlen erreichte PiS mit 34,26% den höchsten Wert, den jemals eine Partei in Polen bei den Regionalwahlen erhalten hat. Die KO verbesserte sich von 26,97% auf 30,59%. Sie hatte sich allerdings deutlich mehr erhofft, hatten doch Umfragen sie seit Februar 2024 als führende politische Kraft gesehen. Für den „Dritten Weg“ stimmten 14,25%, wobei 2018 für die PSL allein 12,07% votiert hatten. Die Neue Linke (NL) wiederholte mit 6,32% in etwa ihr Ergebnis von vor sechs Jahren. Die Regierungskoalition stellt damit die Mehrheit in elf Regionen, bisher waren es acht gewesen. Die PiS wird in vier Wojwodschaften allein weiterregieren können, bisher es noch sieben.

Während des Wahlkampfes spielten regionale Angelegenheiten eine untergeordnete Rolle. Die Regierungsparteien (KO, TD, NL) thematisierten die Freigabe der EU-Fördermitteln, weil die Woiwodschaften für die Verteilung der EU-Gelder an die Landkreise und Gemeinden zuständig sind. Obwohl die Regierungsparteien mit ihrem Einsatz für den Rechtsstaat auf EU-Ebene einen Erfolg verbuchen konnten, gewannen sie auf regionaler und kommunaler Ebene keine neuen Wähler hinzu. Pawel Musialek, Direktor der Denkfabrik „Jagiellonen-Klub“, sieht die Ursache dafür darin, dass die EU-Gelder für die Menschen bisher eine abstrakte Größe ohne praktische Vorteile seien. Außerdem verbinde die Bevölkerung das Thema Rechtsstaat und EU-Mittel eher mit den Europawahlen. Dann, Anfang Juni, könne dieses Thema der KO einen Schub verleihen, so Musialek.

Musiałek sieht die Regierungsparteien zudem vor der Aufgabe, positive Botschaften zu formulieren. Die PiS von der Macht zu verdrängen bzw. fernzuhalten, reiche als Botschaft nicht aus. Anti-PiS-Parolen hätten bei der Parlamentswahl im Oktober 2024 den gewünschten Erfolg gebracht, aber bereits ein halbes Jahr später genüge das nicht mehr, so der Experte für polnische Innenpolitik.

Mobilisierung der Stammwähler

In diesem Kontext spielen zudem ideologische Unterschiede der Regierungsparteien eine gewichtige Rolle, die im aktuellen Wahlkampf offen zutage traten. Als die lange erörterte Möglichkeit einer gemeinsamen Liste von KO und „Neuer Linken“ relativ kurzfristig vor dem Wahltag scheiterte, legte die NL den thematischen Schwerpunkt auf die Änderungen im Abtreibungsrecht, selbst wenn es sich dabei um eine nationale Angelegenheit handelt. Die NL kritisierte den Regierungspartner „Dritter Weg“, weil dieser die Liberalisierung des Abtreibungsrechts erst nach den Regionalwahlen im Sejm beraten lassen wollte. Beide hatten dabei ihre Stammwählerschaft im Blick, ebenso „Polen2050“ und PSL, die Parteien des „Dritten Wegs“. Diese unterstrichen, wie wichtig ihnen steuerliche Erleichterungen für Unternehmen seien, obwohl dieses Thema beim aktuellen Wahlkampf genauso wenig praktische Relevanz hatte, weil die nationale Ebene dafür zuständig ist.

Die PiS schaffte es, ihre Kernwählerschaft zu mobilisieren – und zwar trotz des Verlustes der Kontrolle über die öffentlichen Medien. Gleichzeitig stützte sie sich noch stärker auf Kleinstädte und den ländlichen Raum. Die PiS, so Paweł Musiałek, könnte der unerwartete Wahlerfolg allerdings auch zu Passivität verleiten. So gebe es einflussreiche Stimmen in der Partei, die sich für ein geduldiges Abwarten aussprächen, weil sich die Regierungsparteien aufgrund ihrer unterschiedlichen weltanschaulichen Hintergründe selbst früher oder später in die Haare bekämen. Verfolge die PiS diesen Ansatz, so Musiałek, übersehe sie ihre zwei größten Herausforderungen: erstens ihre fehlende Koalitionsfähigkeit, zweitens der mangelnde Zuspruch unter jungen Wählern.

Bei dieser Wählergruppe punktet gerade die KO, insbesondere in den Großstädten und deren Umland. Der unumstrittene Erfolg von Rafał Trzaskowski in Warschau bei der Wahl zum Stadtpräsidenten lässt die KO zuversichtlich in die Zukunft schauen. Denn sie könnte ihren Kandidaten für die Wahl zum Staatspräsidenten in einem Jahr bereits gefunden haben. Und auf diese Wahl richten die polnische Politik und deren Beobachter bereits jetzt ihren Blick.

Autoren: Dr. Markus Ehm, Martin Wycisk

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