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Europa vor der Wahl
Der kroatische Blick auf die EU

Autor: Markic Boban Aleksandra

Bereits eine Woche nach der Parlamentswahl am 17. April hat in Kroatien der Wahlkampf für die Europawahl begonnen, die in dem jüngsten EU-Mitgliedsstaat am 9. Juni stattfindet. Für die zwölf kroatischen Mandate im Europäischen Parlament (EP) bewerben sich 25 Wahllisten, davon zwei parteilos.

Obwohl die Parteiprogramme zur Europawahl noch nicht offiziell vorgestellt wurden, lässt sich aus der vergangenen Parlamentswahl schließen, dass auch in Kroatien Anzeichen um sich greifender populistischer Tendenzen sichtbar werden. Von den fünf größten politischen Parteien in Kroatien haben drei ein rechts- oder linkspopulistisches Vorzeichen. Allerdings verfolgen die beiden stärksten Parteien, die in der Regel über zwei Drittel aller Wähler mobilisieren, einen betont pro-euroäischen Kurs. Dies sind die konservative „Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ)“ und die „Sozialdemokratische Partei“ (SDP), die sich links der Mitte verortet.

Die Flagge Kroatiens

In Kroatien geht es im Vorfeld der Europawahlen um die Wirtschaft. Aber auch Umweltschutz und die Klimapolitik sind wichtig, besonders für die Jugend.

kasheev; ©HSS; AdobeStock

Die kroatische Jugend und die Europawahl

Wie geht es weiter mit der EU? Für die kroatische Jugend ist das eine zentrale Frage im Europawahlkampf. Aber auch die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie steht im Fokus, zusammen mit Themen wie Inflation, Umweltschutz und der Klimapolitik. Besonders beliebt ist die EU für die Reisefreihet, die Förderung der Mobilität junger Europäer durch das „Interrail-Programm“ oder den akademischen Ausstausch mit europäischen Universitäten über das ERASMUS-Programm. Auch die Freiheit, in der gesamten EU arbeiten zu können, gefällt vielen jungen Menschen in Kroatien, genauso wie die Förderprogramme für junge Landwirte, die es möglich machen, den Lebensunterhalt in der eigenen Heimat zu bestreiten.

Aber es gibt auch Kritik. EU-Institutionen müssten transparenter, die EU insgesamt demokratischer werden.

Was schafft die EU in Kroatien?

Den Beitritt zur Euro- und Schengenzone im Januar 2023, zehn Jahre nach dem EU-Beitritt, sehen die Kroaten als Vollendung ihres EU-Einbindungsprozesses. Die Kroaten jubelten, als die zu über 80 Prozent aus EU-Fonds finanzierte Peljesac-Brücke vor zwei Jahren feierlich eröffnet wurde. Sie verbindet den Norden Kroatiens mit dem Süden sowie die zweitgrößte kroatische Stadt Split mit der Stadt Dubrovnik in der Küstenregion Dalmatien. Dadurch wurde der insbesondere in der touristischen Hochsaison zeitaufwändigen zweifachen Überquerung der EU-Außengrenze zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina ein Ende gesetzt.

Diese grundsätzlich positive Einstellung zur EU spiegelt sich in aktuellen Eurobarometer-Umfragen wieder, denen zufolge 83 Prozent der Kroaten in der EU-Mitgliedschaft eindeutig Vorteile sehen. Der europaweite Durchschnitt liegt bei 71 Prozent.

Das Interesse der Kroaten an der diesjährigen Europawahl ist im Vergleich zu 2019 gestiegen. Insgesamt 61 Prozent der Wähler haben vor, bei der Europawahl ihre Stimme abzugeben. 2019 waren es lediglich 37 Prozent - nur in Slowenien, der Slowakei und Tschechien war damals die Wahlbeteiligung niedriger.

Die EU-Erweiterung wird von 68 Prozent der Kroaten befürwortet, so die  Eurobarometerumfrage vom April 2024, der zufolge in der gesamten EU der Zuspruch für die Erweiterung bei durchschnittlich 53 Prozent lag. Dies ist in Kroatien mit seiner über 1.000 Kilometer langen EU-Außengrenze, vor allem auf sicherheitpolitische Aspekte zurückzuführen, sowie auf den Wunsch nach Stabilität in Südosteuropa. Kroatien ist im EU-Vergleich überdurschnittlich pro-ukrainisch orientiert. Viele Kroaten sehen die Ukraine als Opfers eines Angriffskrieges. Für sie ist das die gleiche Rolle, in der sich Kroatien während des Kroatienkrieges zwischen 1991 und 1995 befand.

Kritik an der EU

Aber auch Kritik an der EU gibt es in Kroatien. So reflektierte der kroatische Staatspräsident Milanovic, zum Verhältnis Kroatiens zur EU öffentlich: "Die Inanspruchnahme von EU-Fonds ist der einzige Sinn und Zweck unseres Verweilens in der EU", "Die EU hat Kroatien reingelassen, um unseren Markt und einige unserer Vorteile auszunutzen, mehr ist es nicht...", "Die EU misshandelt die Länder des Westbalkans". Milanovic ist darüber hinaus deklarierter Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine oder der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Kroatien. Ähnlich wie Populisten aus Kleinparteien rechts der HDZ setzt sich auch Milanovic für eine restriktive Asyl- und Migrationspolitik ein. Allerdings verfügt er als Staatspräsident weitestgehend nur über protokollarische Befugnisse. Die eigentliche politische Macht liegt bei der Regierung.

Auch in Kroatien gewinnen Rechtspopulisten an Einfluss, wie in ganz Europa. Aus der Parlamentswahl sind die "Heimatbewegung" (DP) mit 14 Mandaten und "Die Brücke" (MOST) mit elf Mandaten als dritt- bzw. viertstärkste politische Kraft nach der HDZ und der SDP hervorgegangen. „Die Heimatbewegung“ war der rechte Flügel der HDZ, bis sie sich 2020 abspaltete.

Jetzt könnte die DP in den Verhandlungen über eine Regierungsbildung, Plenkovic zur notwendigen Mehrheit verhelfen. So könnte sie einer möglichen künftigen Regierungskoalition ihren rechtsnationalen Stempel aufdrücken. Dies könnte auch bedeuten, dass Plenkovic auf die Partei der serbischen Minderheit (SDSS) als Koalitionspartner verzichten muss, die bisher die Regierung zuverlässig gestützt hat. Zumindest fordert das die „DP““

Prognose für die Europawahl

Als kleines Land mit schwieriger Geschichte ist sich Kroatien der Bedeutung der Zugehörigkeit zur europäsichen Staatengemeinschaft sehr bewußt. Daher ist damit zu rechnen, dass die zwei großen Parteien, die HDZ und die SDP, etwa neun oder zehn der insgesamt zwölf Sitze im Europoparlament gewinnen werden und der Rest sich auf kleinere, rechts- und linkspopulistische Parteien verteilen dürfte. Insbesondere durch den in der EVP hochgeschätzten und in Brüssel gut vernetzten und positionierten Ministerpräsidenten Plenkovic scheint das Adrialand im Verhältnis zu seiner geringen Größe und Einwohnerzahl von nur 3,87 Millionen häufig überproportionalen Einfluss in der EU zu haben. Plenkovic gilt der renommierten Zeitung "Politico" zufolge als Kandidat für eines der EU-Spitzenämter.

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