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Europa vor der Wahl
Nationale Themen beschäftigen die griechischen Wähler

Autor: Polixeni Kapellou

Die Nea Dimokratia wurde in Griechenland jüngst im Amt bestätigt und führt auch die Umfragen zur Europawahl klar an. Trotz wirtschaftlicher Erfolge und Reformversprechen stößt die Regierung derzeit jedoch auf Widerstand, insbesondere wegen kontroverser Gesetzesnovellen und ungeklärter politischer Verantwortlichkeiten. Die bevorstehenden Europawahlen werfen Fragen auf, da die Wähler sich eher auf innenpolitische Themen konzentrieren. Trotz der hohen Umfragewerte für die Konservativen könnte die Opposition an Einfluss gewinnen.

Jüngst behielt Griechenlands konservative „Nea Dimokratia“ (ND) ihre Vormachtstellung für weitere vier Jahre, nachdem sie bei den Parlamentswahlen am 25. Juni 2023 mit einem Stimmenanteil von 40,6 Prozent wieder als stärkste Partei bestätigt wurde. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis versprach im Wahlkampf wichtige Reformen, um Griechenland wirtschaftlich, strukturell, sowie institutionell weiter zu stärken. Bereits seit 2019 erlebten die Bürger einen raschen Wandel. Die Arbeitslosigkeit ging zurück, das Wachstum stieg nach der Pandemie stark an und Griechenland gewann das Vertrauen der Märkte und ausländischer Investoren zurück.

Die linksradikale Oppositionspartei „SYRIZA“ erlitt 2023 eine schwere Wahlniederlage und erhielt nur 17,8 Prozent der Stimmen. Nach dem Rücktritt des Parteivorsitzenden Alexis Tsipras wählte die Partei den 35-jährigen Unternehmer Stefanos Kasselakis als Vorsitzenden. Anfang 2024 spaltete sich die Partei. Gegenüber der regierenden Nea Dimokratia steht nun im Parlament eine schwache und fragmentierte Opposition von sieben Parteien.

Die Flagge Griechenlands. Waagerechte Streifen mit einem Kreuz in der oberen linken Ecke.

Trotz einer fragmentierten Opposition spürt die Regierung seit Beginn des Jahres Gegenwind, besonders durch sich zuspitzende Studenten- und Bauernproteste.

AkshayG; HSS; AdobeStock

Bevölkerung und Opposition geben Gegenwind für die griechische Regierung

Unerwartet spürt die griechische Regierung seit Anfang des Jahres dennoch starken Gegenwind. Das betrifft etwa die sich zuspitzenden Bauernproteste als auch die Lage an griechischen Universitäten, deren Betrieb seit Anfang des Jahres 2024 vielerorts lahmgelegt ist. Gerichtet ist dieser Widerstand gegen eine Gesetzesnovelle, auf deren Basis die Gründung privater Universitäten möglich werden soll.

Vor der Europawahl priorisiert die Opposition weiterhin die Suche nach den Verantwortlichen für das Eisenbahnunglück Anfang 2023. Ein Misstrauensantrag, den die Opposition im Parlament gegen die Regierung eingebracht hatte, wurde mit den Stimmen der regierenden Nea Dimokratia zurückgewiesen. Die Oppositionsparteien vertreten nach wie vor die Ansicht, dass die Aufarbeitung der Unfallursachen mangelhaft sei und dass man vor allem auch politische Verantwortlichkeiten zuweisen müsse. Regierung und Oppositionsparteien liefern sich einen harten Schlagabtausch und der Ton wird mit dem Näherrücken der Europawahlen zunehmend rauer.

Nea Dimokratia wirbt mit europäischer Stabilität, aber Wähler stellen europäische Themen hinten an

Mit Blick auf die Europawahlen stehen für die Regierung unter anderem folgende EU-Herausforderungen im Mittelpunkt:

  • Flucht & Migration
  • Strategische Autonomie Europas
  • Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft
  • Finanzmittel für die Landwirte  

Angesichts der Europawahl fand von fünften bis siebten April im Athener Zappion-Palais der 15. Parteitag der Regierungspartei Nea Dimokratia statt. In seiner Ansprache rief der Parteivorsitzende und Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zur politischen Einheit und Geschlossenheit auf und warnte vor der Gefahr des Populismus in Europa. Das Wort ergriffen auch die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und der Partei- und Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei Manfred Weber. Mitsotakis forderte die Wähler zu einer Entscheidung auf: „Politische Stabilität oder Unsicherheit“.

Dennoch stimmen die griechischen Wähler bei der Europawahl eigentlich nicht mit Blick auf die Belange Europas ab. Rund 54 Prozent der Befragten geben an, dass sie am stärksten von innenpolitischen Fragen und Alltagsthemen beeinflusst werden. Hier rangieren vor allem Teuerung, öffentliche Sicherheit, Gesundheit, Bildung sowie die Höhe der Gehälter als wichtigste Themen für die Bürger. Neben innenpolitischen Themen nennen 26 Prozent die Persönlichkeit der Kandidaten und nur 19 Prozent europäische Themen als wahlentscheidende Faktoren.

Nea Dimokratia führt das Feld an

Mit scharfen Worten hat der Wahlkampf nun deutlich an Fahrt aufgenommen. Im Moment besteht kein Zweifel daran, dass die Nea Dimokratia als erste Partei durchs Ziel gehen wird. Weiterhin ist auch Premier Mitsotakis Beliebtheit hoch und mit 45,8 Prozent sehr deutlich vor Oppositionschef Kasselakis (21,7 Prozent laut Meinungsforschungsinstitut GPO). Dennoch hat es den Anschein, dass die Nea Dimokratia Wählerstimmen einbüßen könnte. Den jüngsten Umfragen zufolge scheinen vor allem SYRIZA und die rechtspopulistische „Elliniki Lysi“ (Griechische Lösung) an Popularität zu gewinnen.

In einer aktuellen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Alco liegen die Konservativen mit 25,6 Prozent, vor SYRIZA (12,3 Prozent). Mit 11,4 Prozent der Wählerstimmen etabliert sich die PASOK wieder auf den dritten Platz. Uneinig sind sich die Befragten, ob die Europawahlen für die Abgabe von sogenannten „Proteststimmen“ ein Forum sein könnte oder nicht: 49 Prozent stimmen dieser Auffassung zu, 47 Prozent sind dagegen.

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 Polixeni Kapellou
Griechenland (Athen)
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