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Ein historischer Rückblick
Zuwanderer und Auswanderer in Bayern

Autor: Dr. Birgit Strobl

Ursachen und Folgen von Migrationsbewegungen im Laufe der bayerischen Geschichte und deren Auswirkungen auf die jeweiligen Gesellschaften waren vom 22. bis 24. Januar 2016 Themen in Kloster Banz.

1990 wurde bei Straßenbauarbeiten in der Nähe von Ilbling ein Grab gefunden, das erstmals einem echten Bajuwaren zugeordnet werden kann.

1990 wurde bei Straßenbauarbeiten in der Nähe von Ilbling ein Grab gefunden, das erstmals einem echten Bajuwaren zugeordnet werden kann.

Manche Menschen empfinden den momentanen Flüchtlingsstrom als eine nie dagewesene Bedrohung für unsere Gesellschaft. Ein Blick in die Geschichte Bayerns zeigt jedoch, dass Migrationsbewegungen in jedem Jahrhundert ein fester Bestandteil der Geschichte sind. So entstand das Volk der Bajuwaren selbst erst während der Völkerwanderung, als mehrere Stämme im jetzigen bayerischen Staatsgebiet sesshaft wurden und sich vermischten - ihre genaue Zusammensetzung konnte die Wissenschaft bis heute nicht zweifelsfrei klären.

Vielfältige Gründe haben die Menschen bewogen, ihre Heimat zu verlassen. Oftmals waren Klimaeinflüsse schuld, dass ganze Landstriche unter mehrjährigen Ernteausfällen litten und die Bevölkerung vor dem Verhungern in andere Gebiete floh. So schickte das Kloster Benediktbeuren im 12. Jahrhundert die Einwohner mehrerer Dörfer in das Gebiet um Vicenza, wo sie Almen urbar machten, eine neue Heimat fanden und bis ins 19. Jahrhundert ihre Sprache beibehielten. Nach Seuchen- und Kriegseinwirkungen holten die Landesherren oftmals Zuwanderer in ihre Herrschaftsgebiete, um die entvölkerten Landstriche wieder mit Arbeitskräften zu versorgen - eine win-win-Situation auch für meist nachgeborene Söhne der Bauernfamilien oder ehemalige Söldner auf wirtschaftliche Verbesserungen, Grunderwerb und die daran gebundene Heiratserlaubnis.

Seminarleiterin Petra Kreis und Referent Wilhelm Liebhart zeigen Migrationsbewegungen.

Seminarleiterin Petra Kreis und Referent Wilhelm Liebhart zeigen Migrationsbewegungen.

Gerade im Zusammenhang mit den Glaubenskriegen wurden viele Menschen auch zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen, wenn sie ihrem Glauben nicht abschwören wollten. Das bekannteste Beispiel sind sicherlich die Hugenotten, die vom französischen König Ludwig XIV. mit der Aufhebung des Ediktes von Nantes aus Frankreich vertrieben wurden. Sie kamen zu einem großen Teil ins fränkische Erlangen, wo sie dank ihrer guten Ausbildung und ihrer Finanzkraft schnell zum Aufschwung der Stadt beitragen konnten. Auch gesellschaftlich wurden sie dank ihrer Bildung bald von den Einheimischen anerkannt. Bis heute ist man in Franken stolz darauf, Hugenotten in seiner Ahnengalerie vorweisen zu können.

Das 19. Jahrhundert zeigt auch vielfache Emigrationsbewegungen aus Bayern und anderen Teilen des Reichs: Im Jahre 1815 verursachte der Ausbruch des Vulkans Tambora einen weltweiten Ascheregen, der zu einem vollständigen Ernteausfall bis 1816 führte und die unter den Napoleonischen Kriegen leidenden Menschen in eine der schlimmsten Hungersnöte trieb. Sie erkannten, dass der Staat ihnen keine Hilfe anbieten konnte und verließen ihre Heimat, oftmals in die USA. Auch die demokratischen Bewegungen rund um das Wartburgfest 1817 waren Anlass zur Emigration. Die Obrigkeit war durch die Forderungen nach politischen Veränderungen alarmiert und verfolgte die Anführer, die Deutschland dann in Richtung Belgien, dem Elsaß und der Schweiz verließen.

Seminarteilnehmer

Seminarteilnehmer

Aus bayerischer Sicht ist die Aufnahme und die Integration der sudetendeutschen Vertriebenen nach dem 2. Weltkrieg sicherlich das einschneidendste Ereignis, das aber gleichzeitig auch die starke Integrationskraft der Menschen in Bayern unter Beweis stellt: eine Million Sudetendeutsche und eine halbe Million Schlesier mussten ernährt und untergebracht werden. Ging Wilhelm Hoegner in seiner Regierungserklärung 1945 noch davon aus, dass man diesen "wurzellos gewordenen Menschen so rasch wie möglich wieder zu ihrer Heimat verhelfen" müsse, sprach sein Nachfolger Hans Ehard im Januar 1947 davon, "die Lebensbedingungen der Ausgewiesenen (…) zu bessern und sie so rasch wie möglich dem wirtschaftlichen, sozialen und strukturellen Leben des Landes einzuverleiben". Trotz teilweise massiven Vorbehalten der einheimischen Bevölkerung konnten die Vertriebenen in Bayern ein neues Leben aufbauen und der bayerischen Wirtschaft neue Impulse geben, in dem sie - geprägt durch den höheren Industrialisierungsgrad des Sudetenlandes - bis Mitte der 1950er Jahre 4.000 Unternehmen und 24.000 Handwerksbetriebe gründeten und auch auf einheimische Arbeitskräfte zurückgriffen. Seit dem Beginn der 1960er Jahre hat sich Ehards Begriff des "4. Stammes" fest in den bayerischen Köpfen festgesetzt - von Fremden spricht hier niemand mehr. Die ehemaligen Zuwanderer sind längst assimiliert.