Print logo

Festakt: 85. Geburtstag von Theo Waigel
Zeitenwender und aufmüpfiger Visionär

Autor: Andreas von Delhaes-Guenther

85 Jahre sind eine lange Zeit. So alt wurde jetzt Dr. Theo Waigel, bis heute Dienstältester Bundesfinanzminister Deutschlands, überzeugter Europäer, Vater des Euro, finanzieller Gestalter der Deutschen Einheit, viele Jahre CSU-Vorsitzender.

Um Theo Waigels 85. Geburtstag zu feiern, kamen viele alte und auch junge Weggefährten in die Hanns-Seidel-Stiftung. Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, Kardinal Reinhard Marx, die Staatsminister Joachim Herrmann, Albert Füracker und Markus Blume, der CSU-Generalsekretär Martin Huber und seine Stellvertreterin Tanja Schorer-Dremel, dazu viele aktive oder ehemalige Abgeordnete aus allen Ebenen sowie zahlreiche Kommunalpolitiker.

Der „bis heute überzeugte Papierzeitungsleser“ berichtete, wie er vom „aufmüpfigen“ Mitglied in der JU bis hin zum Bundesfinanzminister die Geschicke unseres Landes mitgestaltete.

Leicht melancholisch stimmte der Jubilar seine Rede mit Zeilen aus einem alten Volkslied ein: „Die alten Straßen noch, die alten Häuser noch, die alten Freunde aber sind nicht mehr.“ Nur um sich dann gleich zu bedanken, dass doch so viele alte Freunde zu seinen Ehren gekommen waren. Dank auch an das Archiv der HSS, die den politischen Nachlass Waigels erhalten und aufbereitet hat, darunter die einzige mit stenografierte Niederschrift der Kreuther Trennungsdebatte von 1976. In einem kurzen historischen Abriss schilderte Theo Waigel mit launigen Anekdoten seinen Weg in der bayerischen, deutschen und europäischen Politik. Ein „breites Leben“, so der Jubilar: „Vier Päpste, drei US-Präsidenten, Mitterrand, Chirac, die Queen, Thatcher, Mandela, Arafat.“ Der „bis heute überzeugte Papierzeitungsleser“ berichtete, wie er vom „aufmüpfigen“ Mitglied in der JU bis hin zum Bundesfinanzminister die Geschicke unseres Landes mitgestaltete und Weltereignisse miterlebte. Vom Volksaufstand in der DDR 1953, dem Ungarnaufstand 1956, dem Mauerbau 1961 bis hin zur Deutschen Einheit 1990 und der Schaffung des gemeinsamen europäischen Wirtschafts- und Währungsraumes samt dem Euro.

Die Kosten der Einheit sieht Waigel als gut angelegtes Geld: „Wenn dein Bruder vor der Tür steht, lässt du ihn rein und fragst nicht, was es kostet.“

Mitten drin Theo Waigel, seit 1957 JU-, seit 1960 CSU-Mitglied, 1971 JU-Landesvorsitzender, Mitglied des Bundestages von 1972 bis 2002, Parteivorsitzender der CSU von 1988 bis 1999, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag von 1982 bis 1989 und schließlich Bundesminister der Finanzen von 1989 bis 1998. Waigel erzählte, von seiner Arbeit als „kleiner Weizsäcker“ in der CSU-Grundsatzkommission, von seinen Schwierigkeiten mit Franz Josef Strauß und Helmut Kohl und den Koalitionsverhandlungen der beiden. Auch über die „Schockstarre und Zeitenwende für Bayern und die CSU“, als Strauß 1988 überraschend verstarb und Waigel den Parteivorsitz übernahm. Auf Bitte von Kohl wechselte er ins Bundesfinanzministerium, in dem er den Mauerfall 1989 erlebte, das „Wunder der Geschichte, das ohne einen Schuss stattfand“. Kurz riss der ehemalige CSU-Chef seine eigenen Leistungen der folgenden Jahre an, darunter die europäischen Einigungsverträge und den Überleitungsvertrag, durch den 1994 eine Million Sowjetsoldaten aus der DDR abzogen. Für zwölf Milliarden D-Mark plus drei Milliarden zurückgezahlten Kredit, wie Waigel betonte. Das habe beim damaligen russischen Finanzminister ein „Waigel-Trauma“ hinterlassen, weil der später mitbekam, wieviel Geld die Deutsche Einheit jährlich kostete. „Ich habe eine Null vergessen“, soll er daraufhin gesagt haben. Doch die russischen Soldaten sangen zum Abschied auf Deutsch: „Wir bleiben Freunde, alle Zeit. Auf Frieden, Freundschaft und Vertrauen wollen wir unsere Zukunft bauen.“ Nach einer Pause bedauerte Waigel: „Wie anders ist alles gekommen!“ Die Kosten der Einheit sieht Waigel als gut angelegtes Geld: „Wenn dein Bruder vor der Tür steht, lässt du ihn rein und fragst nicht, was es kostet.“

Zum Schluss forderte der Jubilar „die Verteidigung unserer Demokratie, von Europa und von unserer westlichen Kultur“ und bedauerte: „Wir brauchen wieder politische Führung. Politische Führung bedeutet, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu tun, auch wenn man dafür abgewählt werden kann.“ Als 1998 Waigel abgewählt und Oskar Lafontaine (damals SPD) Finanzminister wurde und den Rest der Welt mit seinen linken Weisheiten beglückte, sagte der US-Notenbankchef Greenspan zu Waigel: „Theo, wie really miss you!“

Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL, würdigt die Verdienste von Dr. Theo Waigel.

Mit Social Media habe sich Waigel nie so recht anfreunden können, erklärte Söder und zitierte den Jubilar: „Jesus hatte auch nur elf Follower.“

Zuvor hatte bereits Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder den „prägenden“ Wert Waigels für die CSU und seine historischen Verdienste hervorgestellt. „Als du 1988 das Finanzministerium übernommen hast, wusste niemand, welche epochalen Stunden bald folgen würden. Für die Deutsche Einheit gab es keine Pläne.“ Mit Russlands Präsidenten Boris Jelzin hätten Kohl und Waigel in der Sauna die Lösungswege für ein souveränes Deutschland ausgehandelt. Die „friedenspolitisch wichtigste Aufgabe“ des russischen Abzugs wäre bereits wenige Jahre später nicht mehr möglich gewesen, betonte Söder. Auch „die europäische Idee und Vision von Kohl und Waigel“ sei die wichtigste wirtschaftliche Entscheidung und der wichtigste Weg zur Aussöhnung mit den Nachbarn gewesen. Dabei sei Waigel auch oft genug an Europa verzweifelt.

„Über Defizite der EU kann ich ein dickeres Buch schreiben als Peter Gauweiler“, zitierte Söder den Jubilar. Dennoch habe Waigel Europa stets vorangebracht, nicht nur, aber besonders mit der gemeinsamen Währung Euro. „Schon hinter dem Namen konnten sich alle versammeln“, betonte Söder, aber eben auch durch die unabhängige Europäische Zentralbank in Frankfurt und die strengen Stabilitätskriterien sei der Euro ein Erfolg geworden. Abschließend lobte der Ministerpräsident den „glühenden Europäer“ Waigel: „Das Amt ist gegangen, aber die Kraft seiner Argumente und Persönlichkeit ist geblieben.“ Dieser habe „viele Türen geöffnet“ mit seinem „schwäbischen Widerspruchsgeist“ und mit seiner diplomatischen Art Bleibendes hinterlassen - darunter die Verpflichtung für die CSU, alles Leben gleichwertig zu achten und zu schützen.

„Es ist uns eine Ehre, dass er den Ehrenvorsitz der CSU übernommen hat. Du bist zeitlos.“

Markus Ferber lobte den Einsatz Waigels für Frieden und Demokratie.

Markus Ferber lobte den Einsatz Waigels für Frieden und Demokratie.

Der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber, begann mit einem Zitat des kürzlich verstorbenen Alois Glück: „In seinem politischen Handeln war Theo Waigel in notwendigem Maße pragmatisch, in seinem Denken und in seiner Kursbestimmung von Grundsätzen geprägt und er hat es für sich und die Partei verstanden, unterschiedliche Lebenswelten aufzunehmen, in eine fruchtbare Beziehung zu bringen und daraus Ganzheitliches zu entwickeln.“ Ferber lobte den Einsatz Waigels für Frieden und Demokratie. Er habe sich auch stets für Europa eingesetzt, aber „seine Wurzeln aus seinem schwäbischen Geburtsort Oberrohr nie vergessen“.

Als 1988 nach dem Tod von Strauß die Bedeutung der CSU infrage gestanden habe, habe es Waigel in einem „eigenen Anzug, mit eigenen Schuhen“ geschafft, den großen Vorgänger zu ersetzen. Schon früh habe einer der CSU-Gründer, Josef Müller, vorgeschlagen, „dass Länder mit einer gemeinsamen Währung nicht gegeneinander Krieg führen“. Viele Jahre später habe Waigel diese Idee „federführend“ umgesetzt. Von 1983 bis 2018 sei Waigel auch Mitglied der HSS gewesen, davon 19 Jahre auch im Vorstand.

Feierlicher Moment: Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL und der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber überreichen Dr. Theo Waigel eine Collage seiner Autogrammkarten aus früheren Zeiten.


Auch der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi, seit 1991 ein langjähriger Freund Waigels, gratulierte in einem kurzen Videostatement. Er schilderte die „langen Nächte“, die er mit Waigel und den anderen Ministern um die europäischen Verträge wie Maastricht gerungen habe. Dies sei aber am Ende „produktiver“ gewesen, als so manches schnelle Treffen der Regierungschefs, und hätten Europa viel stärker beeinflusst. Heute sei der Euro eine anerkannte harte Währung nicht nur für Europa. Die Menschen des Kontinents seien Waigel zu Dank verpflichtet. Waigel habe „die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft auf die europäische Ebene gehoben“, ergänzte CSU-Generalsekretär Martin Huber. Zum Geburtstag überreichte er gemeinsam mit Ministerpräsident Söder einen Rucksack mit bayerischen Lebensmitteln.

 

 

Bilder der des Festaktes

Kontakt

Redakteur: Andreas von Delhaes-Guenther
Publikationen
Redakteur
Telefon: