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Nach Mugabe-Rücktritt
Zeitenwende in Simbabwe?

Robert Mugabe, der Simbabwe seit der Unabhängigkeit 1980 regiert hatte, ist gestern zurückgetreten. Tausende Menschen jubelten stundenlang in einem emotionalen Freudentaumel in Harare und anderen Städten des Landes – auch in Johannesburg und anderen Großstädten der Welt feierten Simbabwer auf den Straßen bis tief in die Nacht. Viele von ihnen hatten nie einen anderen Präsidenten erlebt, viele weinten vor Freude, tanzten, konnten ihr Glück kaum fassen.

Freiheit für Simbabwe ist bisher nur ein Traum gewesen. Wird es ein Traum bleiben? Für Simbabwe könnte der Abgang von Robert Mugabe eine Zeitenwende bedeuten. Die Freude über den Rücktritt des Langzeitpräsidenten sollte jedoch nicht über die enormen Herausforderungen hinwegtäuschen, mit denen das Land konfrontiert ist.

Robert Mugabe Nahaufnahme

Robert Mugabe regierte Simbabwe seit 1980. Zunächst als Premierminister, ab 1987 dann als Präsident. Den stetigen Verfall Simbabwes hat er maßgeblich zu verantworten.

Tech. Sgt. Jeremy Lock (USAF); CC0; Wikimedia Commons

Geht er oder geht er nicht – ER GEHT!

Der 93-jährige Robert Gabriel Mugabe, einer der am längsten amtierenden Präsidenten der Welt, war von seinem Militär, den Zimbabwe Defence Forces, in den Morgenstunden des 15. November unter Hausarrest gesetzt worden. Das Militär verwies zugleich in einer TV-Ansprache darauf, dass die Zimbabwe Defence Forces keinen Militärputsch durchführten, sondern im Umfeld von Präsident Mugabe Kriminelle festsetzen würden, die dem Land durch Verrat und Korruption geschadet hätten. Hinter diesem Schritt stand, so wird vermutet, der von Mugabe gerade entlassene und in die Sicherheitskreise bestens vernetzte frühere Vizepräsident Emmerson Mnangagwa. Ein bedeutender Teil des Militärs hatte sich nach Einschätzung von David Coltart, ehemaliger Minister und Menschenrechtsanwalt, den Entwicklungen innerhalb der Regierungspartei ZANU-PF widersetzt und die kürzlich von Mugabe getroffenen Entscheidungen abgelehnt – sie wollten nicht tatenlos zusehen, wie eine Gruppe um Mugabes Frau Grace, eine „G 40“ genannte innerparteiliche Fraktion, der Machtübernahme näher zu kommen schien. 

Es folgten dramatische Tage großer Sorge und Ungewissheit, in denen ein Putsch vom Militär bestritten und ein verfassungsgemäßer Machtwechsel von vielen Oppositionsführern angemahnt wurde. Am Samstag, dem 18. November, erlebte Simbabwe dann historische Demonstrationen ungekannten Ausmaßes gegen Robert Mugabe – zum ersten Mal beinahe angstfrei, geschützt vom Militär, das von den Menschen bejubelt wurde. Es kam zu für Simbabwe bisher unglaublichen Szenen. Demonstranten rissen Werbebanner mit dem Konterfrei von Mugabe ab, fotografierten das Parteigebäude der ZANU-PF und äußerten sich kritisch gegenüber der Regierung und dem Präsidenten - Vorgänge die bis dato in Zimbabwe zur sofortigen Inhaftierung geführt hätten.

Tumult in der demonstrierenden Menge. Im Hintergrund Armeefahrzeuge.

Simbabwe erlebte am Wochenende Demonstrationen ungekannten Ausmaßes - geschützt vom Militär und deswegen zum ersten Mal beinahe angstfrei.

HSS

Während das Volk auf die Straße ging, beschloss die ZANU-PF, Mugabes Partei, ihn abzusetzen. In einer von Mugabe angekündigten Fernsehansprache erwartete das Volk – aber wohl auch das Militär  und Abgeordnete der Zanu-PF- seinen Rücktritt. Stattdessen aber hielt der Präsident am Sonntag, dem 19. November, nur eine Rede, in der er Probleme einräumte, sich jedoch weiterhin als Machthaber ausgab.  

Nun ging alles sehr schnell: ein Misstrauensantrag wurde beschlossen und am Dienstag im Parlament beraten, was auch der Stimmen der Opposition bedurfte. Dann geschah das für viele noch immer Unglaubliche: die Debatte wurde unterbrochen - Robert Mugabe hatte in einem Brief seinen Rücktritt verkündet, und der Parlamentssprecher verlas das Dokument. Darin heißt es „Meine Entscheidung, freiwillig zurückzutreten, ist geleitet von meiner Sorge um das Wohlergehen des simbabwischen Volkes sowie meinem Wunsch, einen friedlichen, gewaltfreien Machtwechsel herbeizuführen, der die nationale Sicherheit, Frieden und Stabilität gewährleisten kann. Ich trete als Präsident von Simbabwe mit sofortiger Wirkung zurück“. Parlamentarier sprangen auf, tanzten und konnten es nicht glauben.

Karte Simbabwes

Die einstige Kornkammer Südafrikas leidet unter Währungsverfall, Inflation, Arbeitslosigkeit und Mangelwirtschaft.

Shaund; CC BY-SA 4.0; Wikimedia Commons

Vom Hoffnungsträger zum Tyrannen

1924 geboren, hatte Robert Mugabe Simbabwe seit 1980 regiert, zunächst als Premierminister, dann seit 1987 als Präsident. Mugabe galt v.a. in den 70er-und 80er-Jahren zeitweise als Hoffnungsträger für Millionen in seiner Heimat und in der Welt, die ihn damals als vielversprechenden Führer der afrikanischen Befreiungsbewegungen sahen. Der Sohn eines Schreiners, der unter anderem in Fort Hare in Südafrika studiert hatte, war 1964 wegen seines politischen Engagements im damaligen Rhodesien elf Jahre inhaftiert worden und hatte dann für die Gründung des unabhängigen Simbabwe eine prominente Rolle gespielt.  

Mugabes Wandel zum Diktator stürzte sein Land in jahrzehntelange Dauerkrisen und führte den stetigen Verfall Simbabwes maßgeblich herbei.  Durch die Massaker im Matabeleland, denen in den frühen 80er-Jahren etwa 20.000 Menschen zum Opfer fielen, aber auch durch massive, systematische  Menschenrechtsverletzungen wie beispielsweise die Verhaftungen, Entführungen und Morde an Oppositionellen, Wahlfälschung und das Verbot einer freien Presse über viele Jahre hinweg haben Mugabe und sein Regime Blut an den Händen. 

Die einstige Kornkammer Afrikas ist heute wirtschaftlich am Ende, demokratische Institutionen fehlen, Generationen von Simbabwern litten unter Währungsverfall, Hyperinflation, grassierender Arbeitslosigkeit und Mangelwirtschaft. Städte und Infrastruktur sind in desolatem Zustand, Straßen oft nur schwer benutzbar. Die einstige Kornkammer des südlichen Afrikas konnte ihre Menschen über viele Jahre kaum ernähren, unter anderem verursacht durch Landenteignungen, welche die Agrarwirtschaft zerstörten. Wahlbetrug, Gleichschaltung der Presse und gewalttätige Einschüchterung von Kritikern, die jede nennenswerte Opposition mundtot machen sollten, trugen dazu bei, dass von funktionierender Demokratie keine Rede sein konnte.

Junge Demonstranten treten auf ein Straßenschild mit Mugabes Namen und freuen sich.

Die Freude über Mugabes Rücktritt ist groß. Ob sich die Politik unter seinem wahrscheinlichen Nachfolger, Emmerson Mnangagwa, ändern wird, bleibt abzuwarten.

HSS

Zahllose Simbabwer sahen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen - über drei Millionen Simbabwer sollen angeblich im Ausland leben. Damit gehört Simbabwe zu einem der Länder mit der höchsten Auswanderungsrate weltweit. Schätzungen gehen zudem davon aus, dass seit dem Jahr 2000 über die Hälfte der qualifizierten Fachkräfte das Land verlassen habe. Dieser dramatische „brain drain” hat das wirtschaftliche und kulturelle Potential des Landes weiter reduziert.  Während der dramatischen Ereignisse der vergangenen Woche ist es zu keinen gewalttätigen Ausschreitungen in Simbabwe gekommen. Die Ereignisse dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Militär ganz offensichtlich in die politische Landschaft in Simbabwe, hier vor allem in die stark gespaltene Regierungspartei ZANU-PF, eingegriffen hat. Der Machtwechsel in Simbabwe ist damit kein demokratischer, wird jedoch vom Volk mitgetragen.  

Auch wenn das Militär, wie viele vermuten, tatsächlich nur den Machtkampf innerhalb der ZANU-PF Partei beeinflussen wollte und ursprünglich möglicherweise gar nicht die Absicht hatte zur Absetzung Mugabes beizutragen, ermutigte das Eingreifen des Militärs  ein nun entschlossenes Volk, seinen Willen unmissverständlich kundzutun, und führte die Partei zur Absetzung Mugabes. Diese vielleicht vom Militär nicht einkalkulierten Dimensionen entwickelten schnell eine Eigendynamik, die nun Geschichte macht. Robert Mugabe hatte anscheinend in seinen Verhandlungen mit dem Militär volle Straffreiheit gefordert, Schutz seines Vermögens im In- und Ausland und Personenschutz für seine Familie. Die Forderungen sollten auch juristisch abgesichert werden, sodass ihm nach einem Rücktritt nichts widerfahren könne. Einen Präsidenten Emmerson Mnangagwa hatte Mugabe wohl unter allen Umständen verhindern wollen. Dies führte zu einer schwierigen Verhandlungssituation, da das Militär Mnangagwa als Interim-Präsident durchzusetzen versuchte. Noch ist unklar, welche Bedingungen Mugabe für seinen Rücktritt durchsetzen konnte. Prominente Demokraten in Simbabwe drängen nun auf einen unverzüglichen Rückzug des Militärs aus der Politik, und sie fordern, dass auch im Umgang mit den in den letzten Tagen verhafteten prominenten ZANU-PF Führern rechtsstaatliche Grundsätze gelten müssen. Nun gilt es, Stabilität zu wahren und einen Kurs zu wahrer Demokratisierung einzuschlagen.   

Emmerson Mnangagwa könnte neuer Präsident von Simbabwe werden

Erste Verlautbarungen deuten darauf hin, dass Mnangagwa, innerhalb von 48 Stunden nach dem Rücktritt, als Präsident eingesetzt werden soll, der das Land bis zu den auch bisher schon für Mitte 2018 geplanten Wahlen regieren würde. Obwohl der heutige Kontrahent Mugabes vielen nun beinahe als Retter in der Not gilt, darf nicht vergessen werden, dass auch ihm eine maßgebliche Beteiligung an den Massakern im Matabeleland in den 80er Jahren zur Last gelegt wird -  und dass er als enger Vertrauter Mugabes dessen Politik jahrzehntelang mitgetragen und vor allem auch mitgestaltet hat. Er stand auf Sanktionslisten der EU und der USA. Mnangagwa kann nicht separiert von Mugabe betrachtet werden. Zu einer Übergangsregierung unter Beteiligung der Opposition, wie in den letzten Tagen gehofft worden war, oder sofortigen Neuwahlen wird es wohl nicht kommen. Es bleibt abzuwarten, ob die gespaltene und zerstrittene Opposition gemeinsam mit den nun selbstbewusster agierenden sozialen Bewegungen innerhalb kurzer Zeit echte demokratische Reformen durchsetzen kann, die wirklich freie und faire Wahlen ermöglichen. Dafür bräuchten sie vermutlich auch Unterstützung aus dem Ausland.  

Die veröffentliche Presseerklärung von Mnangagwa, der aus Sicherheitsgründen nach seiner Entlassung als Vizepräsident ins Ausland flüchtete, gibt vorsichtigen Anlass zur Hoffnung. Dort schreibt der einflussreiche ZANU-PF Politiker: “My desire is to join all Zimbabweans in a new Era where corruption, incompetency, dereliction of duty and laziness, social and cultural decadency is not tolerated.  In that new Zimbabwe it is important for everyone to join hands so that we rebuild this nation to its full glory, this is not a job for ZANU-PF alone but for all people of Zimbabwe”.  (“Mein Streben ist es, alle Simbabwer*innen in einer neuen Ära zu vereinen, in der Korruption, Inkompetenz, Pflichtvergessenheit und Faulheit sowie soziale oder kulturelle Dekadenz nicht tolleriert werden. In diesem neuen Simbabwe ist es für jeden Einzelnen wichtig, sich die Hände zu reichen, damit wir diese Nation wiederherstellen können zu ihrer ganzen Größe. Das ist keine Aufgabe für die ZANU-PF allein, sondern für alle Bürger Simbabwes.”)

Vom Hoffnungsträger zum Tyrannen – mit diesem Vermächtnis wird Robert Mugabe wohl in die Geschichte eingehen. Er hinterlässt seinem Volk ein schweres Erbe, und politische Beobachter konstatieren vorerst eine ungewisse Zukunft für Simbabwe.

Simbabwe steht am Scheideweg

Ob die leidende simbabwische Bevölkerung von den politischen Umbrüchen profitieren wird, bleibt abzuwarten. Jegliche wirtschaftliche Öffnung hin zu Investitionen und Entwicklungszusammenarbeit würde jedoch zu einer Verbesserung des Status quo beitragen. Die engen Beziehungen von Emmerson Mnangagwa zur chinesischen Führung könnten auch bedeuten, dass dieser in Chinas volkswirtschaftlicher Entwicklung ein Vorbild sieht. Seine Partei ZANU-PF wird wohl versuchen, ein neues Bild zu präsentieren, sich als Reformer darzustellen und trotz einer offensichtlichen Spaltungsgefahr gestärkt aus dem Machtwechsel hervorzugehen. Von einer rechtsstaatlichen und demokratischen Öffnung könnte Simbabwe damit vorerst noch weit entfernt sein. 

Simbabwe steht am Scheideweg. Wichtig scheint, dass die internationale Gemeinschaft darauf besteht, Investitionen und Entwicklungsgelder nur dann zu fördern, wenn echte Demokratisierung glaubwürdig in Angriff genommen wird. Viele Zeitgenossen Mugabes werden tragisch verpasste Lebenschancen bedauern. Für die Nachgeborenen bleibt nun zu hoffen, dass sich ihr Land bald auf einen neuen Weg begibt, der ihnen ein Leben in Freiheit, Würde, materieller Sicherheit und Gerechtigkeit ermöglicht.

Autoren:
Hanns Bühler, Regionaler Projektleiter Südliches Afrika
Karin April, Projektmanager, HSS-Büro Johannesburg

Südafrika
Hanns Bühler
Projektleiter