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Zwischen allen Fronten
Syrien und der Traum vom Frieden

Ist ein Traum legitim, auch wenn er noch so weit entfernt erscheint wie zurzeit der Traum vom Frieden in Syrien? Welche Hoffnung kann aufrecht erhalten bleiben, wenn man zwischen derart vielen Fronten steht, wie die syrische Bevölkerung? Als „Außenpolitisches Quartett“ widmeten sich Experten aus Politik, Diplomatie, Wissenschaft und Journalismus der Suche nach einer politischen Lösung für Syrien.

Begrüßung durch Alexander Wolf, Leiter Büro Berlin

Begrüßung durch Alexander Wolf, Leiter Büro Berlin

Unter dem Titel „Zwischen allen Fronten: Syrien und der Traum vom Frieden“ diskutierten Experten aus Politik, Diplomatie, Wissenschaft und Journalismus am 11.05.2016 die aktuelle Lage und erörterten Ansätze für eine nachhaltige Befriedung des Landes.

Diskussionsleiter Werner Sonne, Journalist und Schriftsteller, eröffnete die Diskussion mit der Frage nach positiven Entwicklungen, nach Hoffnung für Syrien. Der Regionalbeauftragte für Nah- und Mittelost im Auswärtigen Amt, Botschafter Miguel Berger, hob die Bedeutung der Syrien-Kontaktgruppe hervor, die nach intensiven internationalen diplomatischen Bemühungen seit Oktober 2015 bestehe. Einen weiteren Meilenstein stelle die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates von Dezember 2015 dar, welche den Entwurf einer politischen Lösung skizziere. Diese setze eine unbedingte Waffenruhe voraus, da nur ein Ende von Kampfhandlungen und Angriffen ausreichend  Vertrauen für Gespräche und Verhandlungen schaffe.

Auch Dr. Guido Steinberg, Nahostexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, deutete den mittlerweile zwar brüchigen aber zuvor fast sechswöchigen Waffenstillstand als Zeichen dafür, dass eine positive Entwicklung immerhin möglich sei.

Michael Stürmer, Florian Hahn, Werner Sonne, Miguel Berger, Guido Steinberg

Michael Stürmer, Florian Hahn, Werner Sonne, Miguel Berger, Guido Steinberg

Dennoch erwarte er, dass sich der aktuelle Status Quo auf unbestimmte Zeit etabliert habe, da keine der führenden Konfliktparteien – Assad, Opposition, IS, involvierte Regionalmächte – die Verhandlungen ernsthaft vorantreiben wolle.

Prof. Dr. Michael Stürmer, Chefkorrespondent von „Die Welt“ und „Welt am Sonntag“, mahnte an, vor lauter erzwungenem Optimismus nicht den Blick für das Notwendige zu verlieren. Auch er erwarte, dass man sich auf eine lange Dauer der Syrienkrise einstellen müsse. Dafür machte er unter anderem die willkürliche Grenzziehung in der Region verantwortlich und das daraus resultierende mangelnde Kollektivgefühl innerhalb der Staaten, welchen es zudem an einer tiefen Verwurzelung eines demokratischen Gesellschaftsmodells fehle.

Florian Hahn, MdB, Außen- und Verteidigungspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, erläuterte wie Deutschland weiter in Syrien helfen werde. Er lobte das Engagement des deutschen Bundesaußenministers und formulierte als Priorität, den politischen Prozess entsprechend weiter voranzutreiben. Zudem müsse Deutschland seine Zusagen für humanitäre Hilfe weiterhin einhalten sowie sich auch künftig bei der Bekämpfung des IS einbringen. Letzteres geschehe zum einen durch die Unterstützung der Peschmerga im Nordirak sowie durch die Beteiligung an Luftschlägen gegen den IS. All dies sei nicht nur aus humanitärer Verantwortung sondern auch aus eigenen internationalen Sicherheitsinteressen Deutschlands nötig.

Botschafter Miguel Berger, Regionalbeauftragter für Nah- und Mittelost im Auswärtigen Amt

Botschafter Miguel Berger, Regionalbeauftragter für Nah- und Mittelost im Auswärtigen Amt

Zur Position der deutschen Regierung gegenüber Assad erläuterte Berger, man gehe davon aus, die Einbindung Assads sei erforderlich, um den politischen Prozess voranzutreiben. Das heiße, man fordere nicht seinen sofortigen Rücktritt, erwarte jedoch, dass der syrische Machthaber zu einem noch nicht festgelegten Zeitpunkt während der Übergangsperiode wird gehen müssen, spätestens mit der Durchführung freier Wahlen, welche den Friedensprozess abschließen sollten.

Steinberg geht dieser Ansatz nicht weit genug. Er forderte, die deutschen Interessen in Syrien neu zu definieren und eine dreiteilige Lösung zu finden, zum einen für die kurdischen Gebiete im Norden, zum anderen für den vom IS kontrollierten Bereich sowie schließlich für den Rest des Landes. Berger entgegnete dem, dass gemäß offizieller deutscher Position die territoriale Integrität des Landes erhalten bleiben solle, regionale Unterschiede jedoch durch ein dezentrales und föderales System ausgeglichen werden könnten.

Dass die Syrienkrise nicht zuletzt auch von Interessen Dritter befeuert werde, wurde im zweiten Teil der Diskussion deutlich. Hier widmete sich das Panel insbesondere der Türkei. Stürmer stellte fest, dass diese „katastrophal schlecht regiert“ werde, was sich in der fortlaufend erfolglosen außenpolitischen Bilanz widerspiegelt. Mit Blick auf Syrien, erläuterten Steinberg und Berger, verfolge die Türkei das Ziel Assad zu stürzen, um Syrien ähnlich des türkischen Modells von der sunnitischen Mehrheit regiert zu sehen. Vor diesem Hintergrund, aber auch um die kurdische Unabhängigkeitsbewegung im Nachbarland zu schwächen, habe die Türkei den IS lange Zeit geduldet.

Mit Blick auf die Türkei richtete sich die Diskussion auch auf das deutsch-türkische Verhältnis. Auf dem Panel herrschte Einigkeit darüber, dass Deutschland seine Verhandlungsposition verbessern müsse. So forderte Hahn ein selbstbewussteres Auftreten gegenüber der Türkei und ein Aufzeigen von politischen Alternativen. Es müsse beispielsweise ehrlich anerkannt werden, dass nicht der Türkei-Deal sondern die Schließung der mazedonischen Grenze zu einer Abnahme der neu ankommenden Flüchtlinge in Deutschland geführt habe. Als ein mögliches Beispiel dafür, wie man die europäische Abhängigkeit von der Türkei reduzieren könne, nannte Stürmer die Idee einer „europäischen Gendarmerie“ für die Überwachung der Außengrenzen.

Am Ende der Diskussion war sich das Panel einig, dass es in Deutschland und Europa ein Mehr an europäischer Solidarität sowie entsprechender konsequenter politischer Initiativen brauche, um mit den innen-, europa- und außenpolitischen Herausforderungen umzugehen, die sich derzeit und langfristig aus der Syrienkrise ergeben. 

Hauptstadtbüro
Dr. Alexander Wolf
Leiter
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