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Stetiger Wandel als Schlüssel zum Erfolg auf dem Medienmarkt

Journalisten und Verleger stehen im Zentrum des Dilemmas, in dem sich ein jedes Medienunternehmen befindet. Der Markt ist hartumkämpft. Wer auf der Stelle sitzen bleibt, der verliert. Kreative Problemlösungen müssen her. Dieses Spannungsfeld erörterten Stipendiaten beim Fachforum Medien vom 1. bis 3. September 2015 in Berlin.

Ulf Reimer, Verlagsleiter der Berliner Morgenpost

Ulf Reimer, Verlagsleiter der Berliner Morgenpost

Isabel Küfer

“Redakteure, das sind Künstler, die durch ihre spannenden Geschichten begeistern wollen. Wir Verleger, wir sind Erbsenzähler.” Ulf Reimer legt sein schweres Sakko auf einem umliegenden Stuhlrücken ab. Reimer ist Verlagsleiter der Berliner Morgenpost, einer echten Berliner Institution. Seit über einem Jahrhundert informiert die Morgenpost täglich über regionales, nationales und internationales Geschehen.

Die Spannung zwischen Journalisten und Verlegern stehe im Zentrum des Dilemmas, in dem sich ein jedes Medienunternehmen befinde. Insbesondere in einem diffizilen Marktumfeld wie dem derzeitigen trete dieser Konflikt häufig zutage. Dort, wo kein Geld übrig sei, könne kein Geld in teure Rechercheprozesse und digitale Aufbereitungen investiert werden. Die Anstrengungen, die Journalisten unternähmen, um trotzdem außergewöhnliche Geschichten zu Papier zu bringen, seien vor diesem Hintergrund beachtlich.

Die Berliner Morgenpost stehe vor drei besonders gewichtigen Problemen: sie müsse die verschlafene Digitalisierung aufholen sowie die stark rückläufige Nutzung von Tageszeitungen kompensieren und dies in einem hart umkämpften Markt wie Berlin. Fortschritte seien im Digitalen zu verzeichnen. Allerdings, und dies gibt Reimer offen zu, keine, die bereits einen bedeutenden Beitrag zum finanziellen Gesamtergebnis beisteuerten.

Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des VDZ

Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des VDZ

Isabel Küfer

David gegen Goliat

Einige Straßen weiter im “Haus der Presse” behandeln Stephan Scherzer und Peter Klotzki den krankenden deutschen Zeitschriftenmarkt. In einem Viertel, in dem durch Axel Springer und die Proteste der 68er-Generation Geschichte geschrieben wurde, versuchen Scherzer und Klotzki die Zukunft zu gestalten.

Die beiden Verantwortlichen des Verbandes deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) kennen die Probleme, die ihre Mitglieder plagen, gut. Das traditionelle Geschäftsmodell der deutschen Zeitschriftenverleger würde durch Quasi-Monopole und Duopole im Werbemarkt unter Druck gesetzt. Eine kleine Zahl von Unternehmen teile das Gros der ausgegebenen Werbegelder unter sich auf, beklagt der Hauptgeschäftsführer des VDZ, Scherzer. Zudem sei ein gefährlicher Trend auf vielen Märkten zu beobachten, der auch den Zeitschriftenmarkt bedrohe. Plattformen wie Facebook seien zwar abhängig von den bereitgestellten Inhalten der traditionellen Medien, jedoch übernähmen sie nicht die mit beispielsweise der Erstellung von Inhalten in einem Medienhaus verbundenen (finanziellen) Risiken. Selbige würden alleine durch die Medienhäuser getragen.

“Relevanz”, bekräftigt Scherzer, “Relevanz ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Strategie.” Relevante Medien würden auch im aktuellen Marktumfeld hervorragend angenommen. Das Magazin “Landlust”, die britische Wochenzeitschrift “The Economist” und das US-amerikanische Magazin “Wired” seien nur drei der zahlreichen Beispiele, die bewiesen, dass relevante Inhalte sich verkauften.

Stipendiatengruppe vor der Unternehmenszentrale der Axel Springer SE

Stipendiatengruppe vor der Unternehmenszentrale der Axel Springer SE

Isabel Küfer

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

Bei Axel Springer SE bläst man in das gleiche Horn. Neue Untersuchungen und technische Werkzeuge hätten gezeigt, dass Inhalte nicht in einem Maße gelesen würden, in dem Journalisten und Verlage es vor einiger Zeit noch erwartet hätten. Christian Maier, Medienredakteur von DIE WELT, betrachtet die Situation, in der sich deutsche Medien befinden, nüchtern. Maier steht inmitten der StipendiatInnen, ganz so, als hätte er keine Zeit, sich zu setzen. Wer auf der Stelle sitzen bleibt, der verliert. Maier ist ein Getriebener mit Vision. Es müssten neue kreative Problemlösungen her. Der Verlag habe in den vergangenen Jahren viel gewagt und ernte heute erste Früchte seiner kühnen Strategie. Zu dieser gehöre das theoretische Mantra “digital first” ebenso wie die praktische Einrichtung eines Newsrooms, in dem eine Redaktion mit drei Geschwindigkeiten arbeite: Welt online, Welt, Welt am Sonntag.

Alexander Grossmann von der Universität Leipzig erläutert den Zeitungsmarkt

Alexander Grossmann von der Universität Leipzig erläutert den Zeitungsmarkt

Isabel Küfer

Ärmel hochkrempeln

An neuen kreativen Ideen sollen nun auch die StipendiatInnen selbst arbeiten. Prof. Dr. Alexander Grossmann schlägt die Ärmel seines Hemds um. Deutschland sei der fünftgrößte Zeitungsmarkt der Welt. Auf dem Medienmarkt würden jährlich Gelder in Höhe von 76 Milliarden Euro umgeschlagen, ein Viertel davon durch die Zeitungen. Früher seien diese Gelder hauptsächlich durch Werbeeinnahmen verdient worden. Heute machten dieselben nur noch 30 Prozent aus. Der Markt habe sich grundlegend verändert und verändere sich immer weiter. “Es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass irgendein Zeitpunkt kommen wird, der die Digitalisierung beendet. Die Digitalisierung ist ein fortwährender Prozess”, warnt Grossmann.

Gemeinsam mit Grossmann entwickeln die StipendiatInnen deshalb Attribute, mit denen eine Zeitung sich auch in einem stetig wandelnden Marktumfeld behaupten könne. Aktuell müsse das Angebot sein. “Und irgendetwas möchte ich auch nicht lesen. Ich möchte Geschichten, die mich persönlich tangieren”, meldet sich eine Stipendiatin zu Wort. “Individualisierung also”, pointiert Grossmann. Plötzlich fällt es wieder, das Wort, das sich bis hierher wie ein roter Faden durch das diesjährige Fachforum Medien gezogen hat: Relevanz. Die Inhalte dürften nicht beliebig sein, meint ein Stipendiat. Denn wieso solle man für etwas bezahlen, was es auch kostenlos an jeder Ecke des Internets gäbe?

Grossmann schließt das Fachforum. Die StipendiatInnen verlassen Berlin in Richtung ihrer Heimatstädte mit vielen neuen Impressionen und der Erkenntnis, dass Künstler Künstler und Erbsenzählen Erbsenzählen bleiben können, wenn nur beide ihre LeserInnen vor lauter Kunst bzw. Geld nicht aus den Augen verlieren.

André Kannenberg

Universitätsförderung MINT und Medizin
Isabel Küfer, M.A.
Leiterin
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