„Gerechtigkeit für die Mitte? – Die Verteilung der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland und im EU-Vergleich“
Hier finden Sie die Studie im PDF-Format: www.hss.de/publikationen/gerechtigkeit-fuer-die-mitte-pub2446/
Im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung hat sich das ifo Institut mit der finanziellen Situation der Mittelschicht in Deutschland und im EU-Vergleich beschäftigt. In einer dreiteiligen Studie wurde zunächst die Verteilung der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland untersucht, es folgte die Lage der Mittelschicht bei Einkommen und Vermögen im EU-Vergleich. Im letzten Schritt wurde die Verteilung der Nettovermögen und die Sparfähigkeit in Deutschland analysiert.
Ziel der Studie war es, ein Lagebild der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland zu erstellen. Dabei wurde die besondere Belastungssituation der Mittelschicht und ihre verbleibenden Möglichkeiten zur Eigenvorsorge herausgearbeitet. Projektleiter des ifo Instituts waren Prof. Dr. Andreas Peichl und Dr. Florian Dorn.
Die Forschungserkenntnisse zur Verteilung der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland konnten Ende Oktober 2022 bei einem Pressegespräch vorgestellt werden, die Analysen zu Einkommen, Vermögen und Abgabenlasten der Mittelschicht im europäischen Vergleich am 7. Dezember im Rahmen einer Expertenrunde.
Die Studienergebnisse zu Sparfähigkeit und Vermögen der Mittelschicht in Deutschland konnten am 31. März 2023 anhand einer Pressemitteilung publik gemacht werden.
Der Stiftungsvorsitzende Markus Ferber, MdEP:
„Die Krise ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Hälfte aller Haushalte in Deutschland ist in der Krise nicht mehr in der Lage zu sparen, ohne ihre Konsumgewohnheiten stärker zurückzufahren oder auf Rücklagen zurückzugreifen. Die hohe Inflation hat die Mittelschicht überproportional getroffen und zeigt die Belastungsgrenze der Mitte.“
Dr. Florian Dorn, Studienleiter beim Münchner ifo Institut, ergänzte:
„Die Entwicklung der Einkommen konnte in den vergangenen Jahren vielerorts mit steigenden Mieten und explodierenden Immobilienpreisen nicht mehr mithalten. Gerade bei jungen Menschen können Anreize zu mehr Arbeit verloren gehen, wenn Vermögensaufbau und der Erwerb eines Eigenheims durch eigene Leistung immer schwieriger werden.“
Wie vermögend ist die Mittelschicht in Deutschland?
Welche Rolle spielen Immobilienbesitz und Altersversorgungsansprüche bei der Vermögensbildung?
Wie ist es um die Sparfähigkeit und den Vermögensaufbau der Mittelschicht bestellt?
Die Krise ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Aufgrund der hohen Inflation und bei sinkenden Reallöhnen mussten auch Haushalte in der Mittelschicht im Jahr 2022 ihren Konsum einschränken oder auf Rücklagen zurückgreifen. Aufgrund verhaltener Konjunkturaussichten und weiterhin hohen Preissteigerungsraten bleibt die Lage für viele private Haushalte auch 2023 vorerst angespannt. Auch schon vor der Krise waren viele Haushalte in der Mittelschicht in ihren Sparmöglichkeiten eingeschränkt, um private Eigenvorsorge zu betreiben und eigenes Vermögen aufzubauen. Eine Stärkung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge wäre für viele Haushalte aufgrund des demografischen Wandels jedoch zwingend notwendig, um die sinkende Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen. Hinzu kommt eine Einkommensentwicklung, die in den Jahren vor der Krise real zwar mehr Konsum ermöglichte, die aber vielerorts in den vergangenen Jahren mit steigenden Mieten und explodierenden Immobilienpreisen nicht mehr mithalten konnte. Gerade bei jungen Haushalten können damit Anreize zu mehr Arbeit verloren gehen, wenn Aufstiegschancen und die Vermögensbildung durch den Erwerb eines Eigenheims durch eigene Leistung immer schwieriger werden.
Um die Vermögensentwicklung in der Mittelschicht nachhaltiger aufzustellen, müsste an mehreren Stellschrauben gedreht werden. Es bedarf dabei einer Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, um die Rente nachhaltiger aufzustellen und damit die Belastung der Mitte nicht weiter durch höhere Beiträge steigt. Stattdessen sollten die Sparfähigkeiten und die privaten Möglichkeiten zur Vermögensbildung gestärkt werden. Zielgerichtete Anreize und Möglichkeiten zum Vermögensaufbau müssen bestehen, damit sich der Aufbau von Realvermögen, wie der Erwerb eines Eigenheims, auch in der Mitte der Gesellschaft weiter durch eigene Arbeit und Leistung erreichen lässt. Schließlich sollten sich auch Haushalte mit mittlerem Einkommen in ihrem Anlageverhalten besser diversifizieren, damit sie auch an positiven Renditen am Kapitalmarkt mehr partizipieren.
Mit Blick auf die Gesamtstudie resümierte Markus Ferber: „Die Mittelschicht in Deutschland steht zunehmend unter Druck. Die Verteilung der Steuer- und Abgabenlast, die hohen Abgaben für die Mittelschicht und die geringen Leistungsanreize bei niedrigen und mittleren Einkommen im Steuer- und Transfersystem werfen daher die berechtigte Frage auf, ob die Lasten in Deutschland noch gerecht verteilt sind.“
Die Mittelschicht ist ein wesentlicher Eckpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft. Sie erbringt den Großteil des Steueraufkommens und trägt somit wesentlich zur Handlungsfähigkeit des Staates bei. Die Mittelschicht mag in Deutschland einkommensmäßig stabil sein, mit Blick auf die Teilhabe an der Entwicklung der Vermögen ist sie es nicht. Trotz einer hohen Sparquote fällt die deutsche Mitte bei der Vermögensbildung immer weiter zurück. Im EU-Vergleich hat Deutschland eine der höchsten Steuer- und Abgabenlasten und gleichzeitig eine der niedrigsten Eigentumsquoten – ist dies gerecht?