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Informationen aus dem Bayerischen Innenministerium
Lockdown bis März

Signifikante Verbesserung der Fallzahlen, dennoch machen Mutationen erneute Lockdown-Verlängerung nötig, neue Reisewarnungen und: wie kann kommunale Selbstverwaltung in der Pandemie funktionieren?

+++ Neuste Information: Nächtliche Ausgangssperre läuft Ende der Woche aushttps://www.corona-katastrophenschutz.bayern.de/ +++

Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Newsletter vom 11. Februar 2021

  • Signifikante Verbesserung der Fallzahlen
  • Schon zehn Landkreise in Bayern unter Zielinzidenz von 35
  • Mutationen erfordern Lockdown-Verlängerung
  • Lage erfordert flexible Anpassungen
  • Neue Risikogebiete, neue Reisewarnungen
  • Wie kann kommunale Selbstverwaltung in der Pandemie funktionieren?
Herrmann am Rednerpult. Eindringlich.

Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Innern, für Sport und Integration

Michael Lucan; ©SA 3.0; Wikimedia Commons

Liebe Leserinnen und Leser,

auch an den Anfang dieses Newsletters darf ich zunächst einige Ausführungen zu wesentlichen Kenngrößen des Pandemieverlaufes stellen. Heute, Donnerstag, 11.02.2021, 08:00 Uhr, verzeichnen wir in Bayern insgesamt 416.986 bestätigte COVID-19-Infektionen. Im Vergleich zum Donnerstag der letzten Woche, bis zu dem 408.149 Infektionen gezählt worden waren, sind dies 8.837 Fälle mehr. Für die zurückliegenden sieben Tage ergibt sich daraus ein rechnerischer Schnitt von ca. 1.263 Neuinfektionen. Für die vorangegangenen Wochen lagen die Vergleichswerte bei 1.646, 1.909, 2.366, 3.265, 3.143, 3.203, 3.912, 4.172, 3.638, 3.475, 3.606, 3.432, 3.597, 2.918, 2.153, 1.243, 652, 372 bzw. 327. Diese Zahlenreihe belegt sehr schön, dass sich die nunmehr seit Wochen anhaltende günstige Entwicklung weiter fortsetzt, auch wenn wir natürlich noch längst nicht im Zustand der Glückseligkeit angekommen sind. Auch für ganz Deutschland stimmt die Richtung. Das Bundeslagebild weist im Schnitt gut 8.290 Neuinfektionen pro Tag aus, nach etwa 10.450, 12.900, 15.700, 21.000, 17.000 und 15.000 in den Vorwochen.

Lassen Sie uns nun auf Bayern im Ländervergleich schauen. Heute liegt der Freistaat mit einer 7-Tage-Inzidenz von 63,6 – Vorwoche 83,1 – wiederum auf Platz neun. Die höchste 7-Tage-Inzidenz verzeichnet weiterhin Thüringen mit einem Wert von neuerlich verbesserten 105,6 (Vorwochen: 148,4; 174,1; 225,0; 310,4). Hinter Thüringen reiht sich weiterhin das Saarland ein, 84,5 (124,7), danach folgen Sachsen-Anhalt (84,2 nach 122,9), Brandenburg mit ebenfalls stark verbesserten 79,0 (nach 106,2) und Sachsen mit 74,5 (100,1). Alle anderen Bundesländer liegen zwischen diesem und den für Rheinland-Pfalz gemeldeten niedrigsten Wert von 55,3. Der Durchschnitt aller Bundesländer beläuft sich nach 80,7 letzten Donnerstag nunmehr auf 64,2, sodass Bayern mit seiner 7-Tage-Inzidenz von 63,6 weiterhin aus einem gesicherten Mittelfeld heraus agiert.

Signifikante Verbesserung der Fallzahlen

Ein Kernelement der statistischen Betrachtungen dieser Pandemie ist die Positivrate, also die Zahl der laborpositiven Tests im Verhältnis zu deren Gesamtzahl. Die Positivrate lag in Bayern in den zurückliegenden Tagen bei Werten zwischen 3,8 und 4,8 Prozent (Vorwoche: 5,1 und 5,6 Prozent). Dies ist neuerlich deutlich verbessert im Vergleich zum Jahresanfang, als noch eine Spreizung zwischen 8,7 und 10,4 Prozent zu konstatieren war.

Kommen wir zum bedrückendsten Gesichtspunkt der Pandemie, den Sterbefallzahlen. In Bayern sind an oder mit einer Corona-Infektion mittlerweile 11.468 Personen verstorben. Das sind im Vergleich zum vorigen Donnerstag 578 oder pro Tag 82,6 Fälle mehr, nach 111,7, 117,9, 125,1, 134,4 bzw. 107,7 Sterbefällen pro Tag in den Wochen davor. Insoweit bessert sich die Sterberate signifikant.

Ein sich ähnlich aufhellendes Bild sehen wir bei der Zahl der aktuell an COVID-19 erkrankten Personen. Das sind in Bayern heute 26.030 Personen (Donnerstage der Vorwochen 33.040, 38.670, 46.780, 53.900, 59.220, 63.550, 67.710, 65.720, 60.300, 58.600, 56.840, 52.970, 45.780, 34.420, 23.100 bzw. 13.190) und damit im Vergleich zu letztem Donnerstag 7.010 weniger. Somit liegen die absoluten Zahlen dieser Woche in einer Größenordnung, die wir zuletzt vor ca. 15 Wochen hatten. Nach wie vor hinkt die Situation in den Kliniken etwas hinterher, aber auch hier hellt sich der Himmel nach und nach auf. Stand heute liegen von den 26.030 erkrankten Personen 3.101 in einer Klinik (an den Donnerstagen der Vorwochen 3.556, 3.991, 4.231, 4.809, 5.363, 5.550, 5.276, 5.065, 4.663, 4.015, 3.730, 2.626, 2.243, 1.751, 1.072, 614, 328, 243, 213, 215 bzw. 166). Von diesen befinden sich 2.479 auf einer Normalstation und 622 (in den Vorwochen: 710, 762, 872, 937, 969, 902, 860, 791, 726, 683, 530, 491, 367, 151 bzw. 100) auf „Intensiv“. Endlich bessern sich auch hier die Zahlen signifikant und das ist gut so. Denn die besten Krankheitsfälle sind die, die nicht auftreten, zumal man sich nichts vormachen darf: Auch wer die Intensivstation oft nach Wochen genesen verlässt, ist noch lange nicht kerngesund. Es häufen sich die Berichte, wonach Menschen aller Altersklassen auch nach dem Abklingen der Akutphase über Wochen und Monate mit Erschöpfungszuständen, Drehschwindel und Muskelschmerzen zu tun haben. Mittlerweile haben sich viele Rehakliniken auf die Corona-Nachsorge spezialisiert und sind voll belegt. 

Schon zehn Landkreise in Bayern unter Zielinzidenz von 35

Lassen Sie uns nun noch kurz das Augenmerk auf die lokalen Entwicklungen richten. Im Grunde setzt sich die Entwicklung der letzten zwei Wochen fort. Das heißt, dass nach wie vor eine große Spreizung zwischen vielen zusehends besser aus der Pandemie herauskommenden Gebietskörperschaften und jenen besteht, die sich in einer schwierigen Lage befinden. Aber selbst für diese zeigt sich ein gewisser Silberstreif am Horizont, weil sich die Zahlen von „megaschwierig“ in Richtung „schwierig“ entwickeln. Was ich damit meine, darf ich Ihnen am Beispiel des Landkreises Hof erläutern. Lag dieser letzte Woche noch mit einer 7-Tage-Inzidenz von 397,7 an der Spitze, so ist er heute zwar mit Platz 4 immer noch ganz oben mit dabei, das aber mit „nur“ noch 162. Vor Hof finden sich heute aufsteigend die Stadt Hof mit 178,9, der Landkreis Wunsiedel mit 256,0 und der Landkreis Tirschenreuth mit 333,1. Bilden wir Cluster, dann sortieren sich diese wie folgt: Mehr als 300 Neuinfektionen binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner weist lediglich ein Landkreis aus. Zwischen 200 und 300 findet sich ebenfalls ein Landkreis, zwischen 100 und 200 reihen sich aktuell 16 (25) Gebietskörperschaften ein. Werte unter 100 stehen für 77 Landkreise und kreisfreie Städte zu Buche, das sind fast vier Fünftel der hier in Rede stehenden Gebietskörperschaften. Von diesen liegen sogar 37 unter 50 und von diesen wiederum 10 unter dem vormaligen Vorwarnwert und neuen Zielwert 35.

Zieht man unter diese Entwicklungen den Summenstrich, dann entsteht ein widersprüchliches Bild. Dieses ist geprägt von den guten Entwicklungen bei nahezu allen maßgeblichen Parametern deren Verlaufslinien klar nach unten zeigen. So weit so gut. Demgegenüber ziehen erhebliche Unwägbarkeiten in Bezug auf die besonders infektiösen Mutationen herauf.

Mutationen erfordern Lockdown-Verlängerung

Liebe Leserinnen und Leser, der Wunsch vieler Menschen nach einem baldigen Ende aller Corona-Beschränkungen und nach Klarheit, wie es die nächsten Wochen und Monate auf dem Weg zur erhofften Normalität weitergeht, ist nur allzu verständlich. Das gilt für Privatleute wie für Geschäftsleute gleichermaßen. Die einen möchten zum Beispiel den nächsten Urlaub planen, die anderen möchten wissen, wann sie – oft genug unter dem Eindruck höchster wirtschaftlicher Not und größter Existenzangst – ihren Friseursalon, ihr Schuhgeschäft oder ihren Gasthof wieder aufsperren können. Und glauben Sie mir, auch ich habe von Corona genug, würde lieber heute als morgen die Aufhebung des Katastrophenfalles feststellen und die „Alles-ist-wieder-normal-Zeit“ ausrufen.

Das wird aber so schnell nicht der Fall sein, denn gestern haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs beschlossen, den Lockdown mit einigen Modifikationen zunächst bis zum 7. März 2021 fortzusetzen. In Bezug auf weitere Lockerungsschritte gerade in Bezug auf den Einzelhandel, die Gastronomie und zahlreiche weitere Lebensbereiche sieht es so aus, dass derlei Erleichterungen von einer stabilen Unterschreitung einer 7-Tage-Inzidenz von 35 abhängen werden.

Lage erfordert flexible Anpassungen

Nach allem, was mich an Informationen erreicht, sind nicht wenige Menschen im Lande von dieser neu justierten Perspektive enttäuscht und einige meinen sogar, die Politik habe während des laufenden „Spiels“ einseitig ihre eigenen Spielregeln zu Lasten der Menschen geändert, weil bisher stets von einer 7-Tage-Inzidenz von 50 als der „magischen Grenze“ die Rede gewesen sei und nicht von den nun zum Maß der Dinge erhobenen 35.

Schon um dem absehbar von interessierter Seite sicherlich bald geäußerten Verdacht vorzubeugen, diese Maßnahmen würden „die Regierenden“ nur ergreifen, um den Menschen noch länger ihrer Freiheitsrechte zu berauben, darf ich Folgendes ausführen: 

Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass manche Bürgerinnen und Bürger nach einfachen „Wenn-dann-Lösungen“ geradezu lechzen. Ein jeder möchte wissen, wann es für ihn persönlich in seiner individuellen Lage besser wird, und da wäre es natürlich in dieser höchst unübersichtlichen Zeit eine große Hilfe, könnte man wie bei einer ablaufenden Uhr beobachten, wann das ersehnte Ziel erreicht sein wird. Sozusagen Countdown gegen den Lockdown. Und leider gibt es auch Politikerinnen und Politiker, die solchermaßen eindimensionale Lösungen als möglich darstellen. Das zu tun, halte ich nicht für redlich und gegenüber den Menschen auch für höchst unfair, weil so in gewissen Bahnen unrealistische Erwartungen geweckt werden. Treten diese nicht ein oder müssen zumindest hinausgeschoben werden, entsteht verständlicherweise bei vielen Frust. Die Politik soll die Bürgerinnen und Bürger aber nicht frustrieren, sondern ehrliche Informationen geben und die Zusammenhänge gerade bei politisch und grundrechtlich so weitreichenden Entscheidungen sachgerecht einordnen.

Allein auf die Inzidenzwerte zu schauen und mit diesen automatisiert bestimmte Rechtsfolgen zu verbinden, wird aber weder der Pflicht der Verantwortlichen gerecht, die Dinge fortwährend zu durchdenken, das Für und Wider abzuwägen und Folgen abzuschätzen, noch wird ein solches Verfahren der Komplexität des Problems gerecht. Ersteres hieße, womöglich  schon bei kleinen Unter- oder Überschreitungen eines definierten Grenzwertes in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt in einen permanent aus einem Lockdown heraus- und womöglich schon wenige Tage später in einen solchen wieder hineinführenden Fahrstuhlmechanismus zu geraten. Dies brächte keineswegs mehr Handlungssicherheit für die Betroffenen. Ein „Rein-in-die-Kartoffeln-Raus-aus-den-Kartoffeln“ würde die Menschen sehr schnell sehr mürbe machen. Deshalb braucht es die fortwährende Beurteilung der Lage in einem größeren Gesamtzusammenhang durch verantwortliche und verantwortungsbewusste Menschen, die dafür ein demokratisches Mandat haben.

Zweiteres bedeutet vor allem, dass der Blick allein auf die Inzidenzwerte die erst noch in der Zukunft liegenden Parallelentwicklungen ausblendet, die für die weitere Lageentwicklung jedoch entscheidend sein werden. Denn die 7-Tage-Inzidenz bildet allein das Infektionsgeschehen sowie die Konsequenz und die Disziplin der Menschen bei der Umsetzung von Beschränkungen der Vergangenheit ab, sagt aber nichts darüber aus, was absehbar in nächster Zeit bereits an Problemen im Anrollen ist.

Natürlich kann man „der Politik“ vorhalten, dass sie seit Wochen immer nur auf die Inzidenzwerte abgestellt und argumentiert habe, dass Lockerungen möglich werden, sobald die 7-Tage-Inzidenz von 50 stabil unterschritten werde. Diese Darstellung ist aber unvollständig und insoweit auch unrichtig, denn diese Aussage ging stets mit dem Zusatz einher, „soweit es die Infektionslage zulässt“. Und genau in dieser Situation befinden wir uns jetzt, dass wir beurteilen müssen, ob die Infektionslage nicht weiter nach einem strikten Regelwerk verlangt, obwohl die tagesaktuellen Werte glücklicherweise sehr gut aussehen, siehe oben.

Mutationen erregen Besorgnis

Die Infektionslage hat sich seit dem Erlass des aktuellen Lockdowns Mitte Dezember erheblich geändert. Damals war noch so gut wie nicht die Rede von der britischen Mutante B.1.1.7 und keine Rede von der südafrikanischen Mutante B.1.351 – ich kannte diese jedenfalls nicht als kommendes Problem für Europa, Deutschland, Österreich oder Tirol und Ihnen wird es da nicht viel anders gehen.

Jetzt aber kennen wir beide Mutationen mehr als uns lieb sein kann. Wir wissen aber nicht, wie stark diese Varianten schon im Land sind, wie lange es dauern wird, bis sie die noch vorherrschende Urform von Sars-Cov-2 abgelöst haben und was die jeweils deutlich höhere Ansteckungsgefahr für pandemische Folgen haben wird. Auch wenn der sprichwörtliche Vogel Strauß ebenfalls aus Südafrika kommt, so wird es uns nicht weiterbringen, es diesem gleich zu tun und vor B.1.351 einfach den Kopf in den Sand zu stecken. Im Gegenteil, es wäre grob fahrlässig und gefährlich, die Augen vor dem Absehbaren zu verschließen und stur Heil und ohne zusätzliche Überlegung das weitere Handeln allein an in der Vergangenheit definierten Inzidenzgrenzwerten festzumachen.

Deshalb erscheint es mir richtig, in Anbetracht der unklaren Lage die erwiesenermaßen wirksamen Maßnahmen in ihrem wesentlichen Umfang noch einmal bis zum 7. März weiterzuführen. Dies schließt nicht aus, schon vorher einzelne Lockerungen vorzunehmen, etwa die Aufhebung der nächtlichen Ausgangssperre in Landkreisen und kreisfreien Städten mit stabil sehr niedriger Inzidenz. Am 7. März sehen wir hoffentlich klarer und können dann anstehende Entscheidungen zu den größeren Linien fundierter treffen.

Neue Risikogebiete, neue Reisewarnungen

Bis dahin müssen wir tun, was möglich ist, um B.1.1.7 und B.1.352 bei ihrer Ausbreitung möglichst starke Fesseln anzulegen. Dazu gehört meines Erachtens auch die Frage, wie wir gegenüber den in unserer Nachbarschaft liegenden jeweiligen Hauptverbreitungsgebieten für diese Mutationen agieren, namentlich in welcher Intensität die Einreise grenzpolizeilich zu kontrollieren ist. Für die südafrikanische Mutation B.1.351 richtet sich hier der Blick in Richtung Tirol. Dort sind mindestens 200 bestätigte Infektionen und noch einmal so viele Verdachtsfälle belegt, mehr als in jedem anderen Land der Erde außerhalb Südafrikas – hinter Tirol folgt dann mit etwa 100 bestätigten Fällen das traditionell in engen Beziehungen zum Kap-Staat stehende Großbritannien. Diese Lage ist alles andere als einfach, was sich nicht zuletzt an der Reaktion der österreichischen Bundesregierung zeigt. Diese hat in zwei höchst ungewöhnlichen Schritten zunächst am Montag eine innerstaatliche Reisewarnung für Tirol ausgesprochen, um diese dann am Dienstag zu einem ab morgen geltenden Ausreiseverbot hochzustufen. Im Ergebnis ersucht „Wien“ die Menschen, von allen nicht dringend erforderlichen Reisen nach Tirol abzusehen. Und aus Tirol darf nur ausreisen, wer über einen aktuellen negativen Corona-Test verfügt. Diese Maßnahme ist zunächst für zehn Tage angeordnet, ihre Einhaltung wird von etwa 1.000 Dienstkräften der österreichischen Polizei und des sie unterstützenden Bundesheeres überwacht.

Und in Bezug auf die nach wie vor extrem hohe Infektionslage in Tschechien gilt im Grunde Ähnliches, nur mit dem Unterschied, dass hier das Risiko von der sog. britischen Mutation B.1.1.7 ausgeht. Dort deutet sehr viel darauf hin, dass bereits die britische Variante den Takt der Neuinfektionen bestimmt. Dies findet Ausdruck in einer landesweiten 7-Tage-Inzidenz von 483 – in manchen grenznahen Bezirken von nahezu 1.000 –  und einer Anordnung der tschechischen Regierung von heute, drei besonders stark betroffene Grenzbezirke zu Deutschland bzw. Polen vom restlichen Tschechien abzuschotten.

Wir befinden uns bezüglich beider Problemkreise in einer engen Abstimmung mit der Bundesregierung und hinsichtlich der Grenzen zu Tschechien auch mit Sachsen, wie weiter vorgegangen werden kann. Wir wollen keinesfalls den Grenzverkehr etwa im Transit oder für Grenzpendler und Grenzgänger zum Erliegen bringen, aber gleichzeitig alles dafür tun, dass die Risiken minimiert werden.

Wie kann kommunale Selbstverwaltung in der Pandemie funktionieren?

Liebe Leserinnen und Leser, seit jeher war und ist es mir als Kommunalminister ein besonderes Anliegen, dass die Gemeinden, Landkreise sowie Bezirke und deren gewählte Gremien als die kommunalen Basiseinheiten unseres demokratischen Rechtsstaats bestmöglich agieren können. Das muss natürlich gerade in so außergewöhnlichen Zeiten wie einer Pandemie und den damit einhergehenden Grundrechtseinschränkungen gelten. Denn die Bürger müssen sicher sein, dass in diesen schweren Zeiten die „Demokratie vor Ort“ funktioniert.

Umgekehrt darf natürlich aus dem Sitzungsgeschehen von Gemeinde- und Stadträten oder Kreis- oder Bezirkstagen weder für die Ratsdamen und -herren, die anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch im Zuge öffentlicher Sitzungen für anwesende Bürgerinnen und Bürger ein unkalkulierbares Infektionsrisiko entstehen. Deshalb habe ich schon mit Beginn der Pandemie 2020 alle Maßnahmen mitgetragen, die darauf zielten, den Sitzungsbetrieb gewählter Kommunalgremien auch unterhalb der Vollversammlung möglich zu machen. Die einschlägigen Kommunalgesetze sehen hierfür einige Optionen vor wie etwa in Bezug auf Stadt- und Gemeinderäte die zeitweise Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse. Das können auch sog. Ferienausschüsse sein, deren Kompetenzen denen der Vollversammlungen sehr nahekommen. Die Einsetzung von Ferienausschüssen als ein „Ersatzgremiums“ ist an vergleichsweise knappe Höchstfristen innerhalb eines Kalenderjahres gebunden. Dies aus guten demokratiepolitischen Gründen, weil der Ersatz nicht zur Regel werden darf und das Herunterzoomen der Mehrheitsverhältnisse des Plenums in den wesentlich kleineren Ausschuss naturgemäß dazu führt, dass ein erheblicher Teil der gewählten Mandatsträger der großen Fraktionen nicht an Sitzungen teilnehmen kann und sehr kleine Gruppierungen oder ungebundene Mandatsträger womöglich gar nicht mehr im gremiuminternen Meinungsbild des in den Rat hineingewählten politischen Spektrums aufscheinen.

Derlei Fragestellungen zu Ferienausschüssen haben sich für Kommunalparlamente der Kreis- und Bezirksebene erst gar nicht gestellt, da die jeweils für diese maßgeblichen Gesetze das Instrument des Ferienausschusses nicht vorgesehen haben. Das war insoweit eindeutig, ist aber unter den Bedingungen der Pandemie nicht flexibel.

Nun zeichnet sich aber schon seit einiger Zeit ab, dass Corona nicht in zwei Monaten völlig verschwunden sein wird und deshalb die kommunalen Gremien noch längere Zeit unter dem Eindruck von COVID-19 werden tagen müssen. Deshalb habe ich schon vor einiger Zeit die Überlegung in den Landtag hineingetragen, ob es unter den gegebenen Umständen nicht an der Zeit sei, nicht nur die Arbeit mit Ersatzgremien zu flexibilisieren, sondern auch über neue, digitale Formen der Gremienarbeit nachzudenken, ohne dabei das Prinzip der Präsenzsitzung aufzugeben. Für eine bereits vor einiger Zeit von anderer Seite geforderte Volldigitalisierung etwa als reine Videoschaltkonferenz war ich nie. Denn zumindest diejenigen, die eine Sitzung leiten und das Protokoll führen, ggf. aber auch die Fraktionsführer sollen – natürlich mit dem erforderlichen Abstand! – am Ratstisch sitzen. Alles andere entkoppelt die Beratungen vom hergebrachten und dabei den Bürgerinnen und Bürgern vertrauten realen Schauplatz einer vor Ort gelebten Demokratie. Eine Stadtratssitzung gehört nach meiner festen Überzeugung grundsätzlich ins Rathaus und nicht allein in die Weiten des digitalen Orbits. Zudem erleichtert die physische Präsenz einiger weniger „Statthalter“ die Zusammenfassung der Beratungsergebnisse, die Formulierung der Beschlüsse und die Feststellung des von den virtuell teilhabenden Gremienmitgliedern Gewollten und erleichtert so ganz wesentlich eine authentische Gremienarbeit.

Gesetzesentwurf für mehr Flexibilität in den Gremien

Genauso fest bin ich aber auch davon überzeugt, dass diese Neuerungen keine „aufgedrängten Bereicherungen“ sein dürfen, sondern allein Optionen sein können. Diese zu nutzen oder dies zu unterlassen, muss die autonome Entscheidung der kommunalen Gremien und vor allem auch eines jeden einzelnen Gremienmitglieds sein und bleiben. Das gebieten nicht nur der Respekt vor den gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern, sondern auch das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung.

Diese Überlegungen haben die Regierungsfraktionen im Bayerischen Landtag veranlasst, auf der Basis einer vom Innenministerium als Kommunalministerium gelieferten sog. Formulierungshilfe aus der Mitte des Parlaments heraus einen entsprechenden Gesetzentwurf einzubringen. Diesen hat das Hohe Haus in dieser Woche in erster Lesung behandelt.

Neben der audiovisuellen Zuschaltung, also neuhochdeutsch in Form einer Hybridsitzung, will der Gesetzentwurf Ferienausschüsse auch auf Ebene der Landkreise, Bezirke und Zweckverbände zulassen und den Einsetzungszeitraum für Ferienausschüsse im Jahr 2021 von sechs Wochen auf bis zu drei Monate erhöhen. In der Zeit, in denen heuer keine Ferienausschüsse eingesetzt sind, sollen die Gemeinderäte, Kreistage, Bezirkstage und Verbandsversammlungen von Zweckverbänden die ihnen vorbehaltenen Entscheidungsbefugnisse bis zu drei Monate – mit Verlängerungsoptionen längstens bis Ende 2021 – auf beschließende Ausschüsse übertragen können. Ziel ist es, Sitzungen der Vollgremien zu vermeiden und stattdessen in 2021 möglichst in kleineren Gremien oder eben als Hybrid tagen zu können.

Was Hybridsitzungen angeht, weist der Gesetzentwurf aber auch bereits über die Pandemie hinaus. Sie sollen nicht nur heuer möglich sein, sondern vorerst bis Ende 2022. Die Kommunen sollen in dieser Zeit erproben können, ob hybride Sitzungen helfen, ein kommunales Mandat leichter mit Familie oder Beruf zu vereinbaren.

Mit besten Grüßen & wir müssen leider in die Verlängerung!

Ihr

Joachim Herrmann, MdL

Staatsminister

Leiterin Onlineredaktion/Internet

Susanne Hornberger