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Die Hanns-Seidel-Stiftung hat zwei in unserem Büro in Kiew tätigen Ortskräften, Tatiana Zolotar und Alyona Maksymova, die Möglichkeit geboten, in unserem Bildungszentrum Kloster Banz in Oberfranken Zuflucht zu bekommen. Sie helfen im Landkreis Lichtenfels mit, die ankommenden ukrainischen Kriegsflüchtlinge auch sprachlich zu betreuen. Mit Tatjana Zolotar haben wir über die ersten Wochen in Bayern und die Situation in der Ukraine gesprochen.
Tatjana Zolotar: Meinen Kindern und mir geht es gut. Das Leben geht für uns weiter, auch wenn es ohne die restlichen Familienangehörigen schwierig ist: Mein Mann, meine Eltern und weitere Verwandte sind in der Ukraine geblieben. Wir versuchen sie von hier aus, so gut es geht, zu unterstützen und ihnen Mut zuzusprechen. Keiner weiß, wie sich die Situation in diesem brutalen Krieg weiterentwickeln wird. Außerdem macht uns die alltägliche Zerstörung unseres Heimatlandes sehr betroffen, gleichzeitig hoffen wir, dass es auch unseren Freunden und Bekannten vor Ort gut geht.
In den drei Wochen, die wir nun in Deutschland sind, haben wir nur positive Erfahrungen gemacht. Die Menschen um uns herum sind offenherzig und bereit, uns bei jeder Angelegenheit und zu jeder Zeit zu helfen.
Es berührt mich zu wissen, dass unsere Notlage von niemanden gleichgültig aufgenommen wurde und man uns tatkräftig geholfen hat, die Mitarbeiter der Hanns-Seidel Stiftung genauso wie andere deutsche Bürger. Jeder ist bereit, zu unterstützen und zu helfen. Die Menschen in Bayern sammeln Geld, Medikamente, sie bieten ukrainischen Flüchtlingen humanitäre Hilfe und kostenlose Wohnmöglichkeiten an. Es gibt sogar Stadtführungen, Ausflüge und weitere Freizeitmöglichkeiten, die uns angeboten werden. Auch die deutschen Behörden bemühen sich – trotz einiger bürokratischer Verzögerungen – alles Notwendige für einen längeren Aufenthalt zu gewähren, von der sozialen Versicherung bis zur Schulbildung für die Kinder.
Wir sind sehr beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Deutschen und dafür sehr dankbar.
Derzeit befinden sich 260 Geflüchtete aus der Ukraine im Landkreis Lichtenfels. Diese haben alle unterschiedliche Erfahrungen durchmachen müssen: Manche waren drei Tage auf der Flucht, andere wochenlang. Es gibt Menschen, die Familienmitglieder verloren haben oder in Schutzkellern Bombardierungen ertragen mussten. Sie alle eint der Wunsch zu überleben und zu arbeiten. Die Fragen, die diese Menschen am ersten Tag stellen, gehen oft in diese Richtung: „Wie und wann kann ich arbeiten?“, „Wo kann ich Deutsch lernen?“, usw.
Auf Anfrage des Landratsamtes helfen wir bei der Ankunft von neuen Geflüchteten. Wir sind vor Ort während der ersten Registrierung und helfen bei Kommunikationsproblemen. Die Geflüchteten benötigen Unterstützung in ihrer Muttersprache, sie freuen sich auf Antworten auf viele drängende Fragen. Die Zusicherung, dass man sie nicht im Stich lässt und ihnen bei grundlegenden Problemen hilft, beruhigt viele
Wenn man mein Alter hat, sagt man in der Ukraine oft, dass das Leben mit 30 oder 40 Jahren erst richtig beginnt, dann verspüre man das Lebensgefühl in Fülle. Seit dem 24. Februar ist dieses Gefühl verschwunden: Jede Nacht und jeden Morgen gibt es in der Ukraine neue Bombenangriffe. Jeden Morgen schauen wir deshalb auf unser Mobiltelefon nach neuen SMS aus der Ukraine, die uns sagen, dass bei unseren Familienmitgliedern und Freunden noch alles in Ordnung ist, jeden Abend beten wir zu Gott, dass ihnen nichts zustößt.
Von Deutschland aus verfolgen wir natürlich auch die Nachrichten aus der Ukraine, aber nicht zu lange, da es für uns schwer zu ertragen ist.
Über die Perspektive des Landes ist es schwierig zu sprechen. Menschen, die in umkämpften oder besetzten Gebieten leben, haben oft weder Strom, Wasser noch Gas. Es gibt kaum Lebensmittel oder Medikamente und oft auch keine Möglichkeit zu fliehen. Die Stadt Mariupol, beispielsweise, wurde fast völlig vernichtet.
Seit 2014, als Russland die Krim und die östlichen Gebiete annektiert hat, gab es Diskussionen über die Zukunft unseres Landes, nun ist die Ukraine im Krieg, ganze Territorien werden zerstört, unzählige Menschen sterben. Kann der Ukraine noch etwas Schlimmeres passieren?
Es ist besonders wichtig, die Ukraine weiterhin mit allen Mitteln zu unterstützen. Die anfängliche großartige Unterstützung von vielen Ländern nimmt allmählich spürbar ab, es scheint, als gerate das Thema langsam in den Hintergrund. Es ist aber wichtig nicht damit aufzuhören, Hilfsgüter in die Ukraine zu schicken. Vor Ort bedarf es nicht nur Waffen oder Kriegsgerät, sondern auch humanitäre Güter in den benötigten Mengen. Es gibt vor allem viele Anfragen nach Medikamenten und medizinischer Ausrüstung, die Kliniken helfen können.
Ich liebe mein Land und kann über dieses Thema nicht ohne Emotionen reden.
Die Ukraine wird so lange leben, wie ihr Volk lebt. Und dieses hat seine Liebe zur Freiheit und Unabhängigkeit in den vergangenen Wochen bewiesen. Das Land hat sich vereint, um sich zu verteidigen. Ein Aggressor, der versucht diesen Willen zu brechen, um seine eigenen Ambitionen durchzusetzen, wird mit diesem Versuch scheitern.