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Interview zur neuen Strategie der Bundesregierung
Gegen Antisemitismus, für jüdisches Leben

Autor: Dr. Philipp W. Hildmann

„Antisemitismus ist Alltag“ – diesen Befund erhebt der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) in bedrückender Regelmäßigkeit für Deutschland. Seit Jahren mit steigender Tendenz. Auch in Bayern.

Nun hat die Bundesregierung reagiert und die erste Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben (NASAS) vorgelegt. 

 

Das Judentum in Geschichte und Gegenwart ist ein untrennbarer und prägender Teil unseres Landes und unserer Gesellschaft.

Das Judentum in Geschichte und Gegenwart ist ein untrennbarer und prägender Teil unseres Landes und unserer Gesellschaft.

EnginKorkmaz; HSS; istock

  • Sie hat zum Ziel, Jüdinnen und Juden in Deutschland zu stärken und ihre Lebensrealitäten sichtbarer zu machen.

     
  • Sie soll dazu beitragen, jüdische Gegenwart und Geschichte in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit zu zeigen und zu vermitteln.

     
  • Sie versteht Antisemitismus als Problem der gesamten Gesellschaft und soll dazu befähigen, ihn auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen zu verhindern und zu bekämpfen.

Staatsminister a.D. Dr. Ludwig Spaenle, MdL, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, hat sich bereit erklärt, diese Nationale Strategie für uns etwas genauer einzuordnen. 

Dr. Ludwig Spaenle ist seit Mai 2018 Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. Seit 1994 ist er mit einer kurzen Unterbrechung Mitglied des Bayerischen Landtags. Von 2008 bis 2013 war er Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus, danach bis 2018 Staatsminister für Bildung und Wissenschaft.

Dr. Ludwig Spaenle ist seit Mai 2018 Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. Seit 1994 ist er mit einer kurzen Unterbrechung Mitglied des Bayerischen Landtags. Von 2008 bis 2013 war er Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus, danach bis 2018 Staatsminister für Bildung und Wissenschaft.

Studio Liebhart München

HSS: Sehr geehrter Herr Spaenle, Sie setzen sich schon sehr lange und seit 2018 auch als offizieller Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben in Bayern und in Deutschland ein. Was genau haben wir uns unter dieser Nationalen Strategie vorzustellen, die Ihr Kollege Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, am 30. November 2022 vorgestellt hat, und was ist das Neue an diesem Ansatz?

Dr. Spaenle: Die Europäische Union hatte angeregt, dass jeder Staat eine nationale Strategie gegen Judenhass und Antisemitismus erarbeiten soll. Mein Kollege Felix Klein hat vor kurzem genau eine solche Strategie vorgelegt. Und das ist gut so, denn damit können die Initiativen verschiedener Handlungsträger unter einem Dach koordiniert werden.

Übrigens haben wir in Bayern – in enger Zusammenarbeit meiner Geschäftsstelle und des Kultusministeriums - eine landesweite Strategie bereits 2021 erarbeitet und der Ministerrat hat diese im Frühjahr 2022 angenommen. Diese setzt auf Prävention in Schule und Bildung, auf das Sichtbar-Machen jüdischen Lebens, weil Wissen gegen Judenhass schützt, auf eine kreative und moderne Erinnerungsarbeit sowie auf Repression gegenüber Straftätern. In Bayern setzen wir zudem auf ein enges Zusammenwirken von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Kräften.

HSS: Die Bundesregierung will, so das offizielle Ziel, mit NASAS gezielter gegen Anfeindungen jüdischen Lebens vorgehen. Welche konkreten Auswirkungen erwarten Sie auf der Bundesebene?

Dr. Spaenle: Ein gezielteres Vorgehen gegen Anfeindungen jüdischen Lebens muss letztlich zwei Schwerpunkte setzen: Einerseits verstärkte Aufklärungsarbeit durch die Polizei – und da müssen Bund- und Länder dann intensiv zusammenarbeiten – und deutliche Urteile der Gerichte. Dies hatte auch Zentralratspräsident Dr. Schuster neulich gefordert. Aber Entscheidungen der Gerichte kann der Staat nicht verordnen, die Judikative ist hier in der Verantwortung. Der Bund kann allerdings das Strafrecht – wo das nötig ist – verschärfen, etwa hinsichtlich der Mindeststrafen. Hier gibt es sicherlich noch Handlungsbedarf.

HSS: Persönlich stehen Sie für einen verstärkten Kampf Bayerns gegen Antisemitismus. Für wie hilfreich schätzen Sie den Einfluss von NASAS auf die Landesebene ein?

Dr. Spaenle: Mit der Gesamtstrategie gegen Judenhass und Antisemitismus vom Frühjahr 2022 hat Bayern hier eine Vorreiterrolle eingenommen. Die beiden Ebenen können nun noch wirkungsvoller zusammenarbeiten – hier sehe ich die besondere Chance. Und ich erlebe gerade in der Bund-Länder-Kommission der Antisemitismusbeauftragten einen erfreulichen Gleichklang von Felix Klein und mir in vielen Initiativen.

HSS: In der Nationalen Strategie werden auch verstärkte Aktivitäten der Demokratieförderung und der politischen Bildung angeregt. Hätten Sie eine Anregung, wie sich eine Politische Stiftung wie die Hanns-Seidel-Stiftung künftig noch stärker in diesem Bereich aufstellen könnte?

Dr. Spaenle: Die Hanns-Seidel-Stiftung ist mit ihren Anstrengungen, Aufklärungsarbeit über Judenhass und Bildungs- und Präventionsarbeit gegen Antisemitismus, eine tragende Kraft in Bayern. Dafür bin ich dankbar. Wichtig ist, dass die Stiftung – und da bin ich mir sicher – in ihren Anstrengungen nicht nachlässt und dass sie wach und aufmerksam Entwicklungen in der Gesellschaft sowie Impulse aus der Wissenschaft, z. B. vom Zentrum für Erinnerungskultur der Universität Regensburg oder vom Zentrum für antisemitismuskritische Bildung der Universität Würzburg mit aufgreift und einbindet.

Sehr geehrter Herr Dr. Spaenle, wir danken Ihnen für das Gespräch!