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Interview
Euro und Inflation - Die wichtigsten Fragen und Antworten

Autor: Konrad Teichert

Vom „Teuro“ zur beliebten und sicheren Währung in der EU. Der Euro hat sich in den letzten 20 Jahren neben dem Dollar fast zu einer zweiten Reservewährung entwickelt. Aber wie stabil ist der Euro heute? Steht uns nach der Pandemie und angesichts wackeliger Lieferketten und Weltkonjunktur nun die Inflation bevor?

Vor 20 Jahren wurde am 01.01.2002 der Euro als Bargeld eingeführt. Die EZB nimmt dies zum Anlass die Geldscheine neu zu gestalten. Inzwischen ist in 19 EU-Staaten der Euro die offizielle Währung, darunter von Anfang an auch in Deutschland. Die Zustimmungswerte zum Euro sind mit knapp 80% so hoch wie noch nie. Viele Hoffnungen, aber auch Befürchtungen wurden damals mit der neuen Währung verknüpft. Was hat sich davon bewahrheitet und wie stabil ist der Euro heute? Denn zurzeit beschäftigt uns die hohe Inflationsrate in Deutschland und Europa. Die Inflation steigt auf den höchsten Wert seit fast 30 Jahren. Die rasante Entwicklung bereitet zunehmend Sorge. Steigende Produktionskosten, Probleme mit globalen Lieferketten und Energiepreise sind Preistreiber.

Anlässlich des Jubiläums und der aktuellen Entwicklung haben wir für Sie mit dem Experten Prof. Dr. Timo Wollmershäuser gesprochen, Leiter der Konjunkturforschung und –prognosen am ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München, zum Thema Euro, Inflation und aktuelle Geldpolitik der EZB.

Prof. Wollmershäuser steht auf einer Bühe und gestikuliert erklärend.

"Die EZB wird allmählich aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigen". (Prof. Wollmershäuser)

©HSS; Wollmershäuser

HSS: Der Euro zeigte sich in seiner Geschichte krisenfest und ist die zweitstärkste Währung der Welt. Wie bewerten Sie den Euro als Leitwährung und seine Rolle heute in der Welt?

Prof. Timo Wollmershäuser: Leitwährung ist heute nach wie vor der US-Dollar. Das hat neben der Stabilität der amerikanischen Währung auch mit der Größe des US-Wirtschaftsraumes und der wirtschaftspolitischen Macht der USA zu tun. Zwar hat sich Euro auch als außerordentlich stabile Währung erwiesen. Wirtschaftspolitisch aber sind die europäischen Staaten bei weitem noch keine Vereinigten Staaten, selbst nach vielen Jahrzehnten der europäischen Integration.

HSS: Welche Bedeutung hat das Bargeld heute und kommt der digitale Euro?

Bargeld ist nach wie vor das beliebteste und häufigste Zahlungsmittel in Deutschland und im Euroraum. Aber bargeldlose Bezahlformen, in Deutschland insbesondere Debitkarten, wie zum Beispiel die girocard, haben in den letzten Jahren und insbesondere während der Coronakrise deutlich zugenommen. Dieser Trend wird sich auch Zukunft fortsetzen, nicht zuletzt, weil der Online-Handel eine immer größere Rolle bei unseren Einkäufen spielt.

Mit der zunehmenden Digitalisierung vieler wirtschaftlicher Vorgänge wird auch der Wunsch nach einer digitalen Währung zunehmen, die von einer unabhängigen und auf Stabilität verpflichteten Institution, wie der Europäischen Zentralbank, herausgegeben wird. Der digitale Euro wird mit Sicherheit kommen und wird im Laufe der Zeit traditionelle Bezahlformen ersetzen.

©HSS; Wollmershäuser

  • 2014 bis 2017: Leiter der Kommunikation des ifo Zentrums für Konjunkturforschung und Befragungen
  • seit 2014: Leiter der ifo Konjunkturforschung und -prognosen
  • seit 2003 ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München
  • 2000 - 2002 Lehrbeauftragter an der Hamburger-Fernhochschule für das Gebiet Außenwirtschaft
  • 2009 Habilitation an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg
  • 2004 Promotion an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg

HSS: Wie kann mit die letzten 20 Jahre des Euros beschreiben. Zu Beginn als „Teuro“ bezeichnet. Ist dies gerechtfertigt?

Der Euro hatte tatsächlich einen schweren Start, vor allem in Deutschland. Man glaubte, dass eine gemeinsame Geldpolitik mit Staaten, die eine geringe Präferenz für eine stabilitätsorientiere Wirtschaftspolitik haben, zwangsläufig zu hoher Inflation führen würde. Allerdings war das Gegenteil der Fall. In den ersten 20 Jahren der gemeinsamen Währung waren die Inflationsraten in Deutschland niedriger und stabiler als sie es zu Zeiten der D-Mark und der Deutschen Bundesbank jemals waren.

HSS: Wie berechnet man die Inflation?

Inflation misst die Teuerung des Warenkorbes eines repräsentativen Haushaltes. Dabei wird der Preis des Warenkorbes heute mit dem Preis des gleichen Warenkorbes vor einem Jahr verglichen. Die Veränderung des Preises wird in Prozent ausgedrückt. In den Warenkorb werden sämtliche Waren und Dienstleistungen berücksichtigt, für die ein durchschnittlicher Haushalt im Laufe eines Monats Geld ausgibt.

HSS: Was sind die Gründe für die aktuell hohe Inflationsrate?

Im Laufe des Jahres 2021 sind die Inflationsraten kräftig gestiegen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Hauptursache sind kräftige Preisanstiege bei weltweit gehandelten Agrar- und Industrierohstoffen und hier insbesondere bei Energierohstoffen, Knappheiten bei wichtigen Vorprodukten sowie eine spürbare Verteuerung der Transportkosten, besonders im Seefrachtverkehr. Die hohen Energiepreise schlagen sich unmittelbar in den Verbraucherpreisen nieder, da Haushalte in Deutschland durchschnittlich zehn Prozent ihrer monatlichen Ausgaben für Strom, Gas, Heizöl und Treibstoffe tätigen. Die gestiegenen Produktionskosten werden darüber hinaus von den Produzenten und Dienstleistern an ihre Kunden weitergegeben. Seit dem letzten Jahr sehen wir Preisanstiege bei fast sämtlichen Waren und Dienstleistungen des Warenkorbes, die deutlich höher sind als im Durchschnitt derzehn Jahre vor der Corona-Krise.

HSS: Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf den Euro bzw. die Inflation aus?

Mit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine sind die Rohstoffpreise weiter in die Höhe geschnellt. Vor allem die Notierungen von Rohöl und Erdgas haben binnen weniger Tage historische Höchststände erreicht. Aber auch Getreide und viele andere Nahrungsmittel haben sich auf den Weltmärkten sprunghaft verteuert. Wie sich diese Preise weiter entwickeln hängt entscheidend vom Fortgang des Krieges und der damit verbundenen politischen Reaktionen ab. Und das kann derzeit natürlich niemand vorhersehen. Aber klar ist, dass die bislang beobachteten Rohstoffpreisanstiege die zuvor beschriebenen Inflationstrends weiter verschärfen werden.

HSS: Was ist Ihre Prognose für die Zukunft für den Euro und die Inflation - steigen die Preise weiter?

Die monatlichen Inflationsraten werden noch eine Zeitlang hoch bleiben und über fünf Prozent liegen. Im Rahmen unsere Befragungen am ifo Institut haben uns Unternehmen in fast allen Wirtschaftsbereichen, sowohl auf der Erzeugerstufe als auch im Handel, mitgeteilt, dass sie in den nächsten Monaten ihre Preise anheben wollen. Damit geben sie die gestiegenen Kosten für Energie sowie bei der Beschaffung von Vorprodukten und Handelswaren weiter. Hinzu kommt, dass sich ab dem Frühjahr mit dem Abflauen der Omikron-Welle auch die Konjunktur kräftig erholen wird. Damit wird auf den angebotsseitigen Preisdruck noch ein nachfragseitiger folgen.

HSS: Welche Geldpolitik ist von der EZB zu erwarten?

Die EZB wird allmählich aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigen, da sich die hohen Inflationsraten verfestigen und mittlerweile nahezu alle Waren und Dienstleistungen betreffen. Die EZB wird zunächst die Nettoankäufe der Wertpapiere auf null herunterfahren und dann eine erste Leitzinsanhebung beschließen. Der Zeitpunkt der Leitzinswende ist noch unsicher und hängt maßgeblich von den mittelfristigen Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Inflation und die Konjunktur im Euroraum ab. An den Finanzmärkten ist die geldpolitische Straffung bereits eingepreist. Seit Mitte Dezember 2021 sind die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen bereits deutlich gestiegen. Das wird sich auch in den Kreditzinsen widerspiegeln und damit allmählich die Konjunktur und letztendlich den Preisanstieg bremsen.

HSS: Woher kommen die Niedrigzinsen und kommt nun das Ende der Niedrigzinspolitik?

Den Tiefpunkt der Zinsen dürften wir damit bereits hinter uns gelassen haben. Wenn die EZB ihren expansiven Kurs tatsächlich beendet, werden sich das Zinsniveau in den kommenden Jahren allmählich wieder normalisieren. Das neue Normalniveau wird aber wohl deutlich niedriger sein, als das Zinsniveau, das wir in den 1980er und 1990er Jahren gewohnt waren. So gehen die meisten Projektionen von durchschnittlich 2,5 Prozent in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre aus. Dass die Zinsen nicht höher sein werden, liegt nicht an der Geldpolitik der EZB, sondern hat globale, strukturelle Ursachen, die die Zinsen bereits seit längerem und weltweit sinken ließen. Dazu zählt eine spürbare Verlangsamung des Wachstums der Weltwirtschaft, weil unter anderem die Globalisierung und die damit verbundenen Produktivitätsfortschritte ihren Höhepunkt seit vielen Jahren überschritten haben. Das ließ die Nachfrage nach Kapital und damit den Zins sinken. Dazu zählen aber auch weltweite demografische Veränderungen, die die Ersparnisbildung und damit das Angebot an Kapital erhöht haben. Aus das ließ den Zins sinken. Die meisten Projektionen gehen davon aus, dass sich an diesen Einflussfaktoren in absehbarer Zeit nichts ändern wird und wir uns deshalb an diese neue Normalität gewöhnen müssen.

HSS: Vielen Dank für Ihre Zeit , Herr Prof. Wollmershäuser.

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