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Europatagung in der Benediktinerabtei Ottobeuren
Das Haus Europa gemeinsam weiterbauen

Autor: Thomas Haslböck
, Dr. Benjamin Hahn

Auf welchem Fundament steht das Haus Europa und wie lässt es sich weiterbauen? Diese Fragen hat die Hanns-Seidel-Stiftung zusammen mit dem Bistum Augsburg bei unserer zweitägigen Europatagung in der Benediktinerabtei Ottobeuren diskutiert. Experten aus verschiedenen Fachrichtungen haben dabei ihre Perspektiven eingebracht. Entstanden ist ein vielschichtiges Bild unseres Kontinents.

Bei unserer zweitägigen Europatagung „Das Haus Europa gemeinsam weiterbauen“ haben wir mit den Augen eines Baumeisters auf die Europäische Union geblickt. Wir haben ihre Fundamente geprüft und darüber nachgedacht, wie eine Renovierung und Erweiterung möglich werden kann – all dies im Rahmen hochkarätiger Vorträge und Podiumsdiskussionen.

Die Tagung gipfelte in der gemeinsamen Unterzeichnung des proeuropäischen Manifests von Ottobeuren durch den Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung Markus Ferber, MdEP, Bischof Dr. Bertram Meier und Hausherr Abt Johannes Schaber, OSB.

In seiner Festansprache „Die Einigung Europas: Aus christlicher Verantwortung“ zeichnete Ehrengast Prof. Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parlaments a. D., die großen Entwicklungslinien des europäischen Projekts nach. Von der Säkularisierung der Friedensidee über die Geltung des Rechts bis hin zur Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft beziehe das europäische Einigungsprojekt seine Kraft aus zahlreichen geschichtlichen und geistigen Wurzeln. Pöttering rief dazu auf, sich stets der eigenen politischen Identität bewusst zu sein: „Heimat, Vaterland, Europa, Verantwortung für die Welt gehören zusammen. Möge uns diese Balance – ganz benediktinisch – immer gelingen.“

Zeitalter der Komplexität und Konfusion

In der anschließenden Podiumsdiskussion debattierten der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung Markus Ferber, MdEP, Bischof Dr. Bertram Meier, Isabella Schuster-Ritter von der Paneuropa Jugend und Prof. Holger Zaborowski darüber, welche Relevanz christliche Werte im heutigen Europa haben. Ferber stimmte Zaborowski zu, dass sich hinter dem Begriff „Wertegemeinschaft“ mittlerweile ein Sammelsurium an unterschiedlichsten Vorstellungen verberge, die es wieder zusammenzuführen gelte. Bischof Meier berichtete von seiner Reise in die Ukraine und legte dar, dass das Recht auf Notwehr und diplomatische Bemühungen um Frieden Hand in Hand gehen müssten. Die Lage in der Ukraine griff auch Schuster-Ritter auf und betonte, dass die jüngsten Entwicklungen das Europa-Interesse der Jugend wieder angefacht hätten.

Im zweiten Tagungsteil stand sodann die Zukunft der Europäischen Union im Mittelpunkt. Prof. Werner Weidenfeld lieferte in seinem Vortrag „Europa auf der Suche nach einer Zukunftsstrategie“ wichtige Impulse. Europa sei in ein Zeitalter der Komplexität, der Konfusion und der strategischen Sprachlosigkeit eingetreten und müsse nun seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Möglich sei dies durch den Ausbau von Legitimation und Transparenz sowie durch echte Führungspersonen.

Rahmensetzung statt Regulierung

Das anschließende Podium drehte sich um die Frage, wie ein Green Deal 2.0 zum Exportschlager werden kann. Staatsminister Eric Beißwenger, MdL verortete die deutsche Wirtschaft in seinem Eingangsstatement zwischen Rezession und Stagnation. Andrea Thoma-Böck von Thoma Metallveredelung kritisierte den bisherigen Green Deal und betonte, dass dieser nur insofern ein Exportschlager sei, als Unternehmen aus Deutschland abwandern würden. Dem stimmte auch Markus Ferber zu: „Nach fünf Jahren lässt sich sagen: Das war viel Green und wenig Deal. Wir müssen uns jetzt auf den Deal konzentrieren.“ Wettbewerbsfähigkeit ließe sich zudem nur herstellen, wenn die Mitgliedsstaaten bereit seien, Kompetenzen im Steuer- und Insolvenzrecht abzugeben, um zu einer gemeinsamen europäischen Lösung zu kommen.

Ähnlich argumentierte Bauernpräsident Günther Felßner, der ebenfalls vor Einseitigkeiten warnte: „Wir Landwirte kennen das seit 30 Jahren. Wir dürfen diesen Fehler nicht wiederholen. Was wir brauchen ist Rahmensetzung, aber keine zusätzliche Regulierung.“ Marie-Theres von Schickfus vom ifo Zentrum verwies darauf, dass der EU institutionell manchmal die Hände gebunden seien.

Der zweite Veranstaltungstag war ganz der Erweiterungspolitik der EU gewidmet. Markus Ferber betonte in seinem Impulsvortrag, dass es keinen Zweifel an der langfristigen Beitrittsperspektive der Kandidaten gebe. „Es ist allerdings auch kein Geheimnis, dass gegenwärtig weder wir noch die potentiellen Neumitglieder bereit für einen Beitritt sind“, so Ferber weiter. In der EU betreffe dies vor allem die institutionellen Entscheidungsprozesse und bei den Beitrittskandidaten die Defizite im Bereich der Rechtsstaatlichkeit.

Begeisterung nicht verlieren

In der dritten und letzten Podiumsdiskussion wurden die Chancen und Risiken einer erneuten EU-Erweiterung besprochen. Vladimir Duvnjak, Generalkonsul der Republik Kroatien, legte dar, dass er in der Aufnahme der Balkanstaaten die einzige Möglichkeit zur Befriedigung der weiter schwelenden Konflikte in dieser Region sehe. Prof. Gerhard Sabathil, EU-Botschafter a. D., plädierte zusätzlich für die Aufnahme der Ukraine, selbst in Anbetracht widriger Umstände: „Vergessen wir nicht, dass die EU auch schon andere geteilte Länder aufgenommen hat: Deutschland, Zypern und Irland.“

Prof. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet von der Universität Würzburg hingegen mahnte zur Vorsicht: „Die EU darf sich durch Beitritte nicht selbst gefährden. Davon haben wir nichts und die Beitrittskandidaten auch nicht.“ Man dürfe dabei aber die Perspektive des Individuums nicht vergessen, betonte der Hauptgeschäftsführer von Renovabis, Prof. Thomas Schwartz. Jeder Mensch wolle für sich und seine Familie eine Zukunft schaffen – und gerade in den Beitrittsländern verbinde sich dies mit der Hoffnung auf einen EU-Beitritt. Johann Hubmann von den Jungen Europäischen Föderalisten bekräftige ebenfalls die von der EU geweckte Begeisterung, vor allem bei der jungen Generation. Hubmann: „Wir müssen die Herzen der jungen Menschen gar nicht gewinnen – sie schlagen bereits für Europa.“

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