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Parteitage der Sozialisten und Christ-Sozialen
Das Großherzogtum Luxemburg vor einem Machtwechsel?

Autor: Dr. Thomas Leeb

In Luxemburg wirft die Kammerwahl, die im Oktober 2018 stattfindet, ihre Schatten voraus. Am Wochenende vor Ostern präsentierten sich alle Kandidatinnen und Kandidaten der beiden größten Konkurrenten, also der Sozialistischen Arbeiterpartei (LSAP) und der Christ-Sozialen (CSV), auf Parteitagen ihren Anhängern. Für die oppositionelle CSV steht das Ziel fest: Sie will mit Claude Wiseler als Premierminister zukünftig wieder regieren.

Flagge Luxemburgs

Die Christlich-Soziale Volkspartei in Luxemburg ist zuversichtlich, bei den Wahlen im Oktober erfolgreich zu sein.

open-clipart-vectors; CC0; Pixabay

Im Jahr 2013 erzielte die Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) zwar das beste Ergebnis von allen Parteien, allerdings schlossen die Sozialisten, Liberalen und Grünen eine sogenannte rot-blau-grüne "Gambia-Koalition". Die CSV musste daraufhin erstmals seit 1979 auf der Oppositionsbank Platz nehmen. Seitdem arbeiten die Christ-Sozialen gezielt auf den Wahltermin im Oktober hin. Zwischenerfolge stimmen sie optimistisch: Zum einen liefen Volksentscheide in ihrem Sinne, zum anderen ging sie bei den Kommunalwahlen 2017 als stärkste Kraft hervor.

Regionalzug von vorne mit der Aufschrift IR_Luxemburg

In Luxemburg leben 50% Ausländer. Dazu kommen täglich zehntausende Pendler. Das Land kommt gut damit zurecht.

pvdv63; CC0; Pixabay

Inhaltliche Schwerpunkte der CSV im Wahlkampf

Am Samstag vor Ostern schwor CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler mit einer einstündigen Rede die Partei auf den Wahlkampf ein. In sachlichem Ton präsentierte er die Eckpunkte des "Plans für Luxemburg", welche die Grundlage darstellen für die Ausarbeitung des Programms, wozu sich alle interessierten CSV-Mitglieder bis Juni einbringen können.  

Aus den Ausführungen von Wiseler ergab sich deutlich, dass das zentrale Thema das - in mehrerer Hinsicht im Großherzogtum stattfindende - Wachstum sein wird. So verzeichnet das Land alle zehn Jahre einen Zuzug von ca. 120.000 Menschen, was 20% der Gesamtbevölkerung von 600.000 entspricht. Das Bruttoinlandsprodukt vergrößerte sich seit 2013 jährlich im Durchschnitt um über 4%. Außerdem strömen täglich Zehntausende von Pendlern aus Frankreich, Belgien und Deutschland insbesondere in die attraktive Hauptstadt Luxemburg an ihre Arbeitsplätze. Diese grundsätzlich erfreulichen Rahmendaten stellen die Politik vor Herausforderungen. Aus Sicht der CSV führt die amtierende Regierung die Wachstumsdiskussion nicht richtig. So mangele es neben einer Steuerung an einer Antwort auf die Frage, welches Wachstum das Land wolle und vertrage, so Wiseler. Hier wollen die Christ-Sozialen den Boden- und Ressourcenverbrauch drosseln.

Baustelle in einem brachliegenden Grundstück in einem Wohngebiet. Zwei Bagger bei der Arbeit.

"Als Bauland ausgewiesene Grundstücke liegen brach, weil finanzstarke Käufer vor wenigen Jahren investiert haben und nun auf weitere Preissteigerungen warten", sagt Vize-Präsidentin der CSV, Martine Hansen. Trotzdem: Ausnahme für eigene Kinder von geplanter Bebauungspflicht.

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CSV: Keine Rentenkürzungen

Am Rande des Parteitags erläuterte die Vize-Präsidentin der CSV, Martine Hansen, weitere Aspekte des ausgeprägten Wachstums. Die Kammer-Abgeordnete unterstrich, dass Luxemburg unbedingt weiter wachsen müsse, wolle es das derzeitige Rentenniveau auch solchen Bürgern garantieren, die zukünftig erstmals in die Rentenkasse einzahlen. Man wolle niemandem etwas wegnehmen, so Hansen, allerdings müsse die Politik dieses heikle Thema angehen. Da die Gambia-Koalition schweige, wolle die CSV die Diskussion anstoßen. Denn es werde in der Zukunft mehr Rentner geben, was das Umlagesystem unter Druck bringe. Hansen machte deutlich, dass die CSV nie eine Rentenkürzung in Betracht gezogen habe und einen solchen Schritt auch für die Zukunft nicht beabsichtige.  

Im den Bereichen Wohnungsbau und Mobilität gebe es nicht "die eine" Lösung, so die Vize-Präsidentin der CSV. Ihre Partei wolle das Angebot an Baugrundstücken erhöhen und in diesem Zusammenhang insbesondere Bodenspekulationen verhindern, so Hansen. "Als Bauland ausgewiesene Grundstücke liegen brach, weil finanzstarke Käufer vor wenigen Jahren investiert haben und nun auf weitere Preissteigerungen warten. Es handelt sich nicht um Einzelfälle", erklärte die Abgeordnete. Der CSV schwebt eine Regelung vor, die für die eigenen Kinder von einer Bebauungspflicht absieht, aber darüber hinaus als Bauland ausgewiesenen Grund dem Markt zuführt. Wiseler brachte zudem ins Gespräch, die Grundsteuer zukünftig auf nationaler Ebene zu regeln, um Spekulationen entgegenzutreten. Bisher bestimmen die Gemeinden individuelle Hebesätze, und diese Möglichkeit fiele mit der Umsetzung des Vorschlags von Wiseler weg. Für ihn habe die Wohnungsbaupolitik in den nächsten fünf Jahren Priorität. Was die Infrastrukturpolitik betrifft, so gehört für die CSV neben einer weiteren Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel auch der Straßenbau. Gerade kleinere Städte wie das im nördlichen Landesteil gelegene Ettelbruck bedürften einer Umgehungsstraße, sagte Martine Hansen. Sie stellte fest, dass die amtierende Regierung den Straßenausbau vernachlässigt habe.

Flagge Gambias

Flagge Gambias: Sozialisten, Liberale und Grüne haben sich 2013 in Luxemburg zur sogenannten "Gambia-Koalition" zusammengeschlossen und so die CSV zum ersten Mal seit 1979 in die Opposition gebracht. 2018 will die CSV zurück in die Regierung.

RonnyK; CC0; Pixabay

Reform zu Lasten des ländlichen Raumes

Claude Wiseler will den ländlichen Gemeinden eine Zukunft geben und sprach in diesem Zusammenhang in seinem Redebeitrag die Finanzierung der Kommunen an. Der Spitzenkandidaten forderte die Überarbeitung des entsprechenden Gesetzes. CSV-Vize-Präsidentin Hansen erklärte die Hintergründe dieser Position: "Die Finanzreform der Gambia-Koalition ging zu Lasten des ländlichen Raumes, denn die Fläche der Gemeinde spielt seitdem bei der Zuweisung von Geldern keine Rolle mehr, sondern es kommt vor allem auf die Einwohnerzahl an. Dies stellt Gemeinden mit einer großen Fläche und gleichzeitig vielen kleineren Siedlungen langfristig schlechter." Darunter leide insbesondere der nördliche Landesteil, was die heute schon bestehende sozioökonomisch ungleiche Verteilung der Bevölkerung in Luxemburg weiter verstärke, so Hansen.  

Wiseler kritisierte daneben Reformen der rot-blau-grünen Regierung auf dem Gebiet der inneren Sicherheit. Martine Hansen erläuterte die Hintergründe: "Da die Gambia-Koalition im ländlichen Raum kleine Polizeidienststellen geschlossen hat, fühlen sich die Menschen heute unsicherer. Wir brauchen wieder direkte Ansprechpartner der Polizei vor Ort und müssen dafür Gelder zur Verfügung stellen."  

Der CSV-Spitzenkandidat bezeichnete die Familienpolitik der amtierenden politischen Spitze des Großherzogtums als "ideologisch". Die CSV wolle Familien mit Kindern intensiv unterstützen und dabei den Eltern die Wahlfreiheit lassen, ob sie die Betreuung ihrer Sprösslinge selber übernehmen oder einen Hort in Anspruch nehmen wollen. Dazu führte Hansen aus: "Die Regierung vertritt die Auffassung, dass jede Frau und jeder Mann schnellstens nach der Geburt eines Kindes wieder arbeiten sollte. Die vorherige Regelung, die darin bestand, dass der Staat für den Zeitraum von zwei Jahren einer Frau oder einem Mann pro Kind für die Betreuung zu Hause eine Beihilfe gewährte, hat die Gambia-Koalition abgeschafft."

Claude Wiseler

Die Geschichte Luxemburgs seit 100 Jahren ist eine der "erfolgreichen Integration". (Claude Wiseler, CSV) Dem Land sei es immer gelungen, den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit zu stärken.

Claude Wiseler

Gemeinsame Sprache für sozialen Zusammenhalt

Ein weiteres Top-Thema wird die Identitätspolitik sein. Wiseler beschrieb die Geschichte Luxemburgs seit 100 Jahren als eine der "erfolgreichen Integration". Dem Land sei es immer gelungen, den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit zu stärken. Dafür engagiere er sich zu 100%, so der CSV-Spitzenkandidat. Zudem habe das Großherzogtum immer seine Kultur, seine Sprache und sein Verhalten beibehalten und das solle auch in Zukunft so bleiben. Wer fliehe, solle Schutz genießen, "muss aber unsere Regeln beachten", sagte Wiseler; außerdem: "Wir wollen unsere Identität beibehalten." Das Luxemburgische wolle die CSV noch stärker als "Sprache, die integriert" ins Zentrum rücken. Auch Hansen bestätigte, dass sich die Mehrsprachigkeit und Offenheit Luxemburgs sehr bewährt hätten. Das Land komme mit dem hohen Ausländeranteil von um die 50% und zusätzlichen Zehntausenden von täglichen Berufspendlern gut zurecht. Für den sozialen Zusammenhalt komme allerdings der gemeinsamen Sprache eine besondere Bedeutung zu. Deshalb wolle die CSV vor allem in den Kindergärten für alle Kinder vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr dem Luxemburgischen eine stärkere Position verleihen. Die Alphabetisierung in den Schulen solle weiterhin auf Deutsch erfolgen, so Martine Hansen.  

Ausblick  

Aktuelle Umfragen prognostizieren einen Wahlsieg der CSV. Sie könnte ihre bisherige Fraktionsstärke von 23 Abgeordneten ausbauen und könnte sowohl mit den Liberalen als auch mit den Sozialisten oder eventuell den Grünen Koalitionsgespräche aufnehmen. Die bisherige Regierung würde ihre Mehrheit verlieren. Die Christ-Sozialen um ihren Spitzenkandidaten Claude Wiseler können somit der Kammerwahl im Oktober hoffnungsvoll entgegen schauen.

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter